18. September 2009

Sri Krishna ist nicht vor 5000 Jahren erschienen

-eine Betrachtung

Indische Götterbeschreibungen sind für gewöhnliche Menschen sehr verwirrend. Da tauchen Wesen mit grüner, roter oder eben blauer Hautfarbe auf. Manchmal mit mehreren Köpfen. Es werden Wesen beschrieben, die tausende von Jahren leben, in den Himmeln fliegen und ihre äussere Erscheinungsform nach Belieben zu verändern vermögen.
Es ist umso erstaunlicher, wenn man von den Geweihten Krishnas erfährt, dass die innere Reflektion und das Gedenken an solche offenbarten Beschreibungen (lila-katha), die Essenz der Theopraxis (der spirituellen Übung) des Krishnabewusstseins darstellt.

Vor einigen Jahren wurde ich an der Universität Zürich von einem Professor gefragt, ob ich denn wirklich an diese Beschreibungen glaube. „Sind diese Beschreibungen symbolisch oder ist das wahr? Ist dies alles eine Allegorie, die ein Etwas jenseits von Worten beschreibt? Oder glaubst du als Mensch mit einer Schulbildung effektiv an all diese vielköpfigen Geschöpfe mit vielen Armen aus deren Nabel Lotosblumen wachsen? Ich habe mich dazumals geschämt, „Ja“ zu sagen.

Das ist aber eine wunderbare Frage. Die Frage muss jedoch in einen Zusammenhang gestellt werden.
Wenn wir an etwas denken, dann tun wir das in Kategorien unserer Erfahrung: Wahrheit, Tatsache, Fiktion, Mythologie, Wirklichkeit, Symbolismus…und wir glauben, eine genau Vorstellung von diesen Denk-Kategorien zu haben.
Aber all unsere Gedanken-Kraft und unser gesamtes Vermögen zu verstehen und all unsere Gedanken-Prozesse, unsere Standpunkte basieren auf Grund-Annahmen, die nicht wirklich sind.

Am Anfang des inneren Weges steht deshalb immer die Einladung zur radikalen Entgrümpelung unserer Vorstellungen und Denkmuster (Bhagavad gita 2.11). Auf unserer Suche nach Begrenzung, die wir „unseren Standpunkt“ nennen, suchen wir immer wieder nach Orientierungspunkten, nach Bezugsmöglichkeiten, nach Strohhalmen, an denen sich das Ich wieder festhalten kann. Somit wird Vertiefung verunmöglicht. Wir haben gar nicht gemerkt, wie das bedingte Ich die Begriffe „wahr“ und unwahr“ für sich vereinnahmt hat.

Ich möchte ein paar Beispiele geben.

Dieser Körper ist nicht das Selbst. Wir sind eine Seele, die kein einziger Berührungspunkt mit allen Erlebnissen und Erfahrungen in dieser Welt hat. Aber Tag für Tag – und dies seit unvorherdenklicher Zeit – identifizieren wir uns mit diesem Rollenspiel des Körpers und denken, wir seien Mann oder Frau, gesund oder krank und wir glauben, wir würden älter werden. Die Seele wird nicht von Zeit berührt, aber weil dieses Denken angewöhnt ist, leben wir weiterhin ausserhalb unserer Identität und dies bedeutet: in einer verzerrten Wahrnehmung. Unsere Vernunft ist zusammengesetzt aus Ideen, die nicht der Wirklichkeit entsprechen.


Wir glauben, etwas zu besitzen. Das Ich hat alles in Besitz genommen: meine Beziehung, meinen Partner, mein Kind, meine Gedanken, meine Gefühle, mein Haus, meine Güter, meine Heimat, meine Welt.
Wenn man innerlich das Gefühl hat, mehr zu wiegen als eine Feder, so trägt man eine Last, die einem nicht gehört. Und erstickt unter dem Gewicht, das schwerer wiegt als ein Fels.
Hat man sich selber wirklich schon einmal die Wahrheit darüber gesagt, wie man sich fühlt mit all diesem Besitz?
Mit Sicherheit schwerer als eine Feder.
Das Gefühl von Besitz ist völlig falsch – aber diese Idee durchzieht unser Bewusstsein und unser Denken und die Perspektive zur Wirklichkeit ist genau davon vernebelt.
Isavasyam idam sarvam (Isopanishad 1) „Alles im gesamten Universum, mich selber inbegriffen, gehört Gott.“ Aber wir stellen Besitzansprüche und leiden an der Bewusstseinsverzerrung.

Wir haben ein materielles Identitätsgefühl und denken, wir würden so viel tun. Aber Krishna erklärt in der Gita (3.27):
„Durch die Erscheinungsweisen der materiellen Natur werden alle Handlungen überall vollzogen.
Wer vom Ich-Gefühl (von Identifikation mit dem Körper) verblendet ist, meint, er selbst sei der Vollbringer einer Handlung.“

Die Erscheinungsweisen der materiellen Natur fluktuieren und kreieren unbegrenzte Blasen (alle Phänomene der Zeitweiligkeit) auf dem Ozean materieller Energie – aber das verwirrte Lebewesen denkt, es sei selbst der alleinige Ausführer von Handlungen. Wir gleichen ein paar Strohhalmen, welche in einem grossen Fluss vor sich hintreiben. Wie komisch wäre es, wenn sie denken würden „Ich gehe nun hier oder dort hin und erreiche so viel, habe Errungenschaften und Gewinne, die ich für mich beanspruche….“
Illusionäre Wahrnehmung verunmöglicht aber den Einblick in die Realität.

Wir denken, wir seien der Bhokta, der Geniesser und unser Leben sei für unseren persönlichen Genuss bestimmt. Dies ist das grundlegendste aller Missverständnisse.
Krishna erklärt in der Gita, dass alle Tätigkeiten letztlich nur für seine Freude bestimmt sind völlig unabhängig vom eigenen Freud und Leid, das dabei resultieren möge. Und nur in der tiefen Akzeptanz dessen und dem praktischen Applizieren dieser Erkenntnis ist Friede möglich. (5.29 / 9.24)
In den Religionen wird Gott meistens betrachtet als Schöpfer und Erhalter dieser Welt, dem keine separate Existenz jenseits seiner Schöpfung zugestanden wird oder welche zumindest nicht im Hauptfokus steht.

Radha-krishna-bhakti setzt genau da an. Da ist Gott nicht mehr Schöpfer. Zwar durchdringt er alles, aber der Aspekt seiner Allmacht und Allgegenwart ist nur ein äusserlicher. Sein wahres Sein ist in Vrindavan – dort, wo er geboren wurde. Dort geniesst er den Austausch der Liebe. Gott ist unendlich glücklich.
Es geht nicht primär darum, Gott in sein eigenes Leben hinein zu beziehen, sondern vielmehr sich selbst in das Leben Gottes zu beziehen. Als der österreichische Schriftsteller Walter Eidlitz in den 30 er Jahren des letzten Jahrhunderts die indische Gottesliebe kennen lernte, sprach er von einer "erstaunlichen und für den westlichen Menschen erschreckenden Theozentrik". Es geht um die Freude Gottes unabhängig von seinem eigenen Wohl oder Weh und man ist selber nicht der Bhokta, der primäre Geniesser, der Welt und ihren fluktuierenden Phänomenen.


Unser gesamtes Denken und unsere Weltwahrnehmung sind durchdrungen und zusammengesetzt von Denkweisen und Grundannahmen, die nicht real sind. Die Denkvorgänge sind konditioniert durch die materiellen Erfahrungen aus unzähligen Leben.
Im täglichen Leben bemühen wir uns, frei von Vorurteilen zu sein, aber jeder einzelne Gedanke, der sich in diesen Bahnen bewegt, ist nichts anderes als ein Vorurteil.

Wenn nun jemand fragt, ob dieses Krishna-lila (die Gespräche über Krishna) Mythologie und Allegorie seien, oder ob es „wahr“ sei - dann müssen zuerst die gesamten Kategorien des Verständnisses von Wahrheit grundlegend in Frage gestellt werden.
Sind all die Ideen, welche man in seinem Geist trägt, wahr?

Wir haben unsere Erfahrung der Zeit – Zukunft, Gegenwart und Vergangenheit.
Sri Krishna erklärt in der Gita (2.16):
„Es gibt keine Existenz in dem, was vergeht. Zeitweilige Dinge existieren nicht.
Und nie hat es Inexistenz gegeben von dem, was ewig ist.“
Im Alltagsbewusstsein orientiert man sich aber praktisch die ganze Zeit am Nicht-Ewigen und ist aufgewühlt an vorbeiziehenden Phänomenen und deren Bewertungen.
Ist Krishna-lila wahr? Was ist das Verständnis von „wahr“, welches die Person in sich trägt? Es sind Ideen der Verbindung mit dem Zeitweiligen, die gemäss Sri Krishna eben nicht existieren, also nicht „wahr“ sind.

Krishna-lila ist nicht Allegorie, da es ein Hereinbrechen der Ewigkeit in unsere Welt hinein ist. Und es ist auch nicht Historie, da es nie im Fluss der materiellen Zeit statt gefunden hat.

Als ich vor vielen Jahren in Vrindavan war, erlebte ich starke Gefühle der Ergebung, als ich mich erinnerte, dass Sri Krishna hier vor 5000 Jahren erschienen sei.
Sadhus haben mich dann belehrt, dass Krishnas lila nie stattgefunden hat im Fluss der materiellen Zeit, der weltlichen Geschichte und Krishna nicht vor 5000 Jahren hier auf Erden gewesen sei. Es machte mich traurig zu hören, dass es also gar nicht stattgefunden hatte. Sie sagten dann weiter: „Krishnas Lila findet ewig statt in jedem Moment, gerade jetzt – denn es ist ewige Realität. So wie jeder Moment unseres Lebens vorbeigeht und irreversibel der Vergangenheit angehört, so ist Krishnas lila nie vorbei, sondern jeder einzelne Moment im Krishna-lila bleibt ewig bestehen.“ Krishnas Geburt ist der Einbruch der Ewigkeit inmitten unserer Zeit hinein.
Es ist nicht staubige Geschichte, sondern ewige Realität und es wird zugänglich, wenn man von verwirklichten Heiligen darüber hört.

Sri Krishna Janmastami ist das Fest, in welchem man sich nicht nur an Krishnas Erscheinen erinnert – sondern auch seine eigene Zugehörigkeit zur Ewigkeit feiert.
Die Teilnehmer des Festes werden zu Zeitgenossen des mystischen Ereignisses.
Anders gesagt: sie treten aus ihrer historischen Zeit heraus, heraus aus der Zeit, die sich aus der Summe der profanen, persönlichen und zwischenpersönlichen Ereignissen konstituiert und finden zurück in eine primordiale Zeit, die immer dieselbe ist, die Ewigkeit ist. Der religiöse Mensch mündet anfänglich periodisch (in den Zeiten der Meditation oder den heiligen Festen) in diese heilige Zeit ein, die nicht "abläuft", sondern die die im gewöhnlichen Leben oft ausgeblendete ewige Gegenwart ist, eben Wirklichkeit.

Alles verdankt seine Existenz Gott. Der Ursprung von allem - auch von unserem Leben - ist religiös.
Das heilige Fest bewahrt einen davor, das effektiv Wesentliche nicht in Vergessenheit geraten zu lassen. Es ist die Erinnerung daran, dass die Existenz ein Geschenk Gottes ist. Das Fest stellt die sakrale Dimension unseres Lebens wieder her, die in der Turbulenz der Alltagsarrangierungen in Gefahr ist, ausgeblendet zu werden.

Das heilige Fest ist eine Rückkehr an ein Ereignis (das Erscheinen Gottes innerhalb seiner eigenen Schöpfung), welches nichts Historisches hat, sondern Ewigkeit ist.
Das Bedürfnis des Menschen, diese heiligen Ereignisse in seinem Leben zu wiederholen, wiederzubeleben, entspringt seinem Urbedürfnis, das alle Bestreben durchzieht - die Nähe zu Radha Krishna.

Im Fest bricht Krishnas Ewigkeit in unsere Zeit hinein. Fest ist Unterbrechung der Arbeit, des Nutzbringenden, des Kalkulierbaren. Das Fest ist zeitlos und zweckfrei. Darin werden wir herausgehoben aus dem blossen Funktionieren, aus der Hektik des Alltags. Das Fest ist gekennzeichnet von Mühelosigkeit und Leichtigkeit und vermittelt so eine Ahnung des lila.

Wenn das Zentrum von allem nicht in der zentralen Ausrichtung seines eigenen Bewusstseins ist, dann wird die Gestaltung der Feste künstlich und eine noch atemlosere Form der Arbeit. Das zentrale Anliegen des heiligen Festes ist Erinnerung an Sri Krishna.

Was ist der Effekt der Erinnerung daran? Alle Misskonzepte, die der Mensch in sich trägt - die Idee, etwas zu besitzen, der Glaube, Dinge zu kontrollieren, die Identifikation mit dem Körper und den Gedankenstrukturen, in welchen man glaubt, man existiere innerhalb der materiellen Zeit und sei der Geniesser der Umstände – werden aufgelöst.

21. Juli 2009

Alleine-Sein

Gott, die Liebe, Freundschaft, Beziehungen – all dies sind keine Notwendigkeit.
Weil alle Menschen dies als Grundnotwendigkeit betrachten, suchen unzählige Menschen nach Liebe.
Die Suche zielt aber nicht darauf hin, zu lieben, sondern geliebt zu werden. Man sehnt sich nach jemandem, der einem seinen unersättlichen Durst, geliebt zu sein, stillen könnte.
Diese Haltung hat aber nichts mit Liebe zu tun. Das Suchen nach Befriedigung der eigenen Bedürfnisse schafft eine Art von Sucht, die „Anhaftung“ genannt wird.
Anhaftung ist nie identisch mit Liebe, obwohl es sehr ähnlich ausschaut. Oft ist die „Verliebtheit“ von Paaren nichts mehr als eine gegenseitig sich ergänzende Sucht, eine grosse Verhaftung. Verklebung führt nie in die Freiheit.
So bleiben die Menschen auf der Suche nach Liebe, die sie effektiv gar nicht erfahren und zur gleichen Zeit nehmen sie eine Welt wahr, wo ihnen Liebe fehlt.
Man fühlt sich als bedürftig. Und ein Bedürftiger kann nicht lieben.

Man nähert sich gegenseitig, innerlich entleert, und glaubend und hoffend, dass der andere ihr Märchenprinz sein würde, die Frau seiner Träume. Für Augenblicke denkt man tatsächlich, dass dies die Person sei, die einem aus dem Leid und dem Elend befreien könne, die Person, die einem erretten könne von unserer Not der Einsamkeit, die Person, die einem die erhoffte Lösung geben könnte von aller Traurigkeit, Bitterkeit und Leid. Man denkt, dies sei die Person, die unsere Probleme lösen könne. Der Partner sieht aber den anderen und denkt genau das Gleiche. Er oder sie würde der Lebensretter sein. Und man erwartet Liebe – das Geliebtsein.
Was geschieht, wenn zwei Wesen, die beide nur den Wunsch haben, zu empfangen, zu erhalten, sich begegnen? Beide gehen mit leeren Händen aus.
Es folgt die Ernüchterung, der Zorn und den Schmerz über die nichterfüllten Hoffnungen ohne zu verstehen, dass diese Projektion der Leidesbeendung niemals hätte funktionieren können. Es war ein Suchen nach einer Lösung welche das Selbst, die ewige Seele, und ihre Bedürfnisse nicht einmal berührt. Aber dennoch glaubte man, es würde Erfüllung darin liegen. Alle Beziehungen, die das Ich zur fluktuierenden Welt hat, sind substanzlos, weswegen in ihnen konnotativ schon immer eine Leere mitschwingt.
Das Bedürfnis, Beziehungen mit anderen haben zu wollen, muss überwunden werden. Nicht die Beziehungen selber sollen aufgegeben werden, aber das Bedürfnis und die gefühlte Notwendigkeit danach. Dieses Bedürfnis verwandelt einen in einen Sklaven. In der Aufgabe dessen wird die Liebe zu den Menschen, die einen umgeben, zu den Freunden, zum Partner, nicht zu einem beengenden Konzept, nicht mehr basiert auf Bedürftigkeit, sondern wird zu einer heilenden Liebe, welche immer weit über die geliebte Person hinauszielt – immer auf das wirkliche Objekt der Liebe hin: auf Sri Krishna.

Kein Wesen auf dem Planeten, auch nicht Gott, kann das süchtige und dürstende Bedürfnis stillen. So wie Freundschaft und Liebe ist auch Gott nicht eine Notwendigkeit.
Wenn die Menschen um einen herum das Leid der eigenen Einsamkeit nicht lösen können, dann fällt man auf Gott zurück, aber er wird da auch nicht einspringen. Der wahre Gott ist kein Lückenfüller.
Zu dem Leid der unerfüllten Wünsche gibt es keine Lösung, auch Gott nicht. Das Problem ist nur das fehlprojizierte Sehnen nach einer Fata Morgana, der Glaube, dass der Durst des kleinen Ichs zu stillen wäre.

Eigentlich bin ich ein Wesen, das liebt, das gibt ohne eine Erwartung, das schenkt ohne eine Gegenleistung zu erwarten. Man gibt, auch ohne eine Reaktion zu erwarten. Der Punkt ist nicht das Geliebtsein, sondern das ausschliessliche Geben. In der Einsicht dessen fühlt man sich immer dankbar und nie entmutigt. Es ist ein freies Fliessen, das sich nicht an die Reaktionen bindet, die von aussen kommen.
Man vermeidet dann nicht mehr Beziehungen, sondern erlebt Beziehung zu allem – mit allen menschlichen Wesen, mit Bäumen, Vögeln, Blumen, Wolken, Seen – ohne die Gefangenschaft der Erwartung und ohne das Gefängnis der Bedürftigkeit.
Das ist der freie Bewusstseinszustand, den Krishna in der Bhagavad gita umschreibt mit
„samah sarveshu bhuteshu“ (Bhagavad gita 18.54), der Gleichheit zu allen Wesen, aus welchem Bhakti, liebende Hingabe an ihn Selbst erwächst.

16. Juli 2009

Das Wagnis des Nicht-Funktionierens

Ich weiss nicht genau, wo das Überlassen zu den Willen Gottes hinführt, aber ich weiss, wo der Versuch der Kontrolle meines Lebens und der Versuch des Festhaltens hingeführt hat.

Man hat beständig Angst, dass die Norm niedergerissen wird.
In der Gottesannäherung wird der Zaun um meinen kleinen Garten niedergerissen und alles, was vorher da eingesperrt war, läuft nun frei herum.
Im völligen Kontrollverlust residiert eine unglaubliche Erleichterung und eine Lebensintensität, die man nicht wirklich wahrnehmen konnte, da man so beschäftigt war, seinen kleinen Garten zusammenzuhalten.
Die Hingabe zu Gott ist Verlust der Fassbarkeit, wie wir sie gekannt hatten. Es ist einfach der Verlust der Herrschaft über die Dinge und die Umgebung und das Leben, wie man sie vermeintlich angenommen hatte.
Nun steht man auf dem inneren Weg vor einer gewichtigen Entscheidung:
Tut man nun alles, um die Herrschaft wiederzuerlangen? Reisst man sich zusammen, um die Fassung wiederzugewinnen? Das war die alte Strategie, der man immer schon glaubte, folgen zu müssen.

Oder setzt man nun wirklich sein Vertrauen auf etwas, das grösser ist als die Herrschaft des Ichs über seinen kleinen Garten.
Wenn man sich diesem Vertrauen zuwendet, es nährt und es reifen lässt, dann findet man in sich auch die Bereitschaft für die Hingabe an einen Prozess, in dem alles wie auf freier Wildbahn erscheint. Es ist ein nicht beherrschbares, unvorhersehbares Eintauchen – in den süssen Willen Sri Krishnas.
Das ist, was Meister Eckhard als die „Verrücktheit des Herzens“ beschrieben hat.

Menschen, die diese innere Norm verlassen haben, erzeugen Angst, da sie die Grenzen abgerissen haben und sich nicht mehr in der Eingeschnürtheit herumbewegen. Der unglaubliche Widerstand zur Ungewissheit der Führung Gottes lebt tief verwurzelt in den Tagträumen, in den Gedanken, den Gefühlen, in der Welt, in der man lebt.

Die Hingabe aber erfordert das Verlassen der Norm, das Risiko, nicht mehr wie bisher funktionieren zu können – wie man es eben gelernt hatte. Es ist natürlich, dass man da unglaublich alten Spuren der Konditionierung begegnet.

Menschen denken manchmal, wenn sie der Aggression, die in ihnen brodelt, freien Lauf lassen würden, dann würden sie alle umbringen…. Aber das sind nur kindliche Fantasien, was dann geschehen würde…
Wenn man effektiv diesen Weg der Freilegung begeht, erkennt man die perfekte Selbstregulation der Dinge, die man bisher glaubte, selber in die Hand zu nehmen. Die Tendenzen beruhigen sich augenblicklich – sie waren ja nur Symptom, dass sie das Gefängnis und die Diktatur des Bisherigen nicht mehr aushalten konnten.

Das Heraustreten aus der Funktion ist ein ganz fester Bestandteil der Auflösung, die auf dem inneren Weg zu geschehen hat.
Es ist ja gerade die Crux der Menschen, dass sie ständig funktionieren. Das
Eingenommen-Sein in diesem Räderwerk ist Leid. Solange die Uhr tickt, halte ich mich über Wasser, überlebe ich. Wenn ich nicht mehr funktioniere, gehe ich unter.
Wenn man den Mut hat, die Disfunktion zuzulassen und aus der Maschinerie ausbricht, ohne gewaltsam etwas dagegen zu tun, dann ist das genau der Moment, in dem wirkliche Transformation geschehen kann.
Das ist die Herausforderung der Hingabe und zeigt die Ernsthaftigkeit auf dem Weg. Die Sozialisation hat einen gelehrt, das Funktionieren über alles zu stellen und an der leeren Fassade festzuhalten. Die Würde der Seele treibt einen zur Hingabe an den unbändigen Willen Gottes, wo kein Stein mehr auf dem anderen liegen bleibt.

27. Juni 2009

Dringlich

Welchen Platz und welche Priorität hat die Frage „Was ist das, was ich wirklich will?“ in seinem Leben?
Wie stark brennt das Feuer?
Man braucht immer wieder eine Erneuerung, die eigene Entscheidung, eine radikalere Annäherung zu leben, um die Prioritäten wieder zu Recht zu rücken. Weil uns die unwesentlichen Wege gelehrt wurden, gehen wir sie auch und verlieren uns in ihnen.
Keine Zeit zu haben für den inneren Weg, für die spirituelle Praxis… ist im Grunde genommen eine ziemlich haarsträubende Aussage von Menschen, die sich im Unwesentlichen verloren haben.
Wie kann man für die alles-umfassende Wahrheit weniger geben als Alles?

Es gibt für jeden Pilger die Auseinandersetzung mit der scheinbaren Unvereinbarkeit der äusseren Gesellschaft und des Funktionierens in ihr, der Aufgaben und Pflichten der äusseren Welt und dem Ruf der Seele.
Man kann diese Auseinandersetzung leben, indem man sich reibt mit seiner Arbeit, mit den Menschen, die einen umgeben und mit dem Geldverdienen, mit der Familie und den Kindern und der Umgebung - und so verliert man in diesem unnötigen Kampf endlos Lebensenergie.
Diese Auseinandersetzung ist eigentlich das Ringen um die absolute Priorität des inneren Weges mit den vermeintlichen Notwendigkeiten und Sachzwängen der äusseren Welt.
Wenn die Priorität effektiv zu Recht gerückt wird, zerfällt diese Reibung mit der Welt. Es waren nur Zwänge in seinem Geist, in seiner kleinen Welt, in seiner Begrenzung der Sicht der Dinge.
Aber es besteht keinerlei Notwendigkeit für keinen Menschen auf der Erde – egal in welcher sozialen Lage er sich befindet, gleichgültig welcher Tätigkeit er nachgeht – die eigentliche wesentliche Angelegenheit des Lebens hinten anzustellen. Weil er keine Zeit hat für Meditation, für Innenkehr, für Selbsterforschung und der Wahrheit zu begegnen – gerade deshalb ist er immer zu beschäftigt und unter Druck. Man kann das innere Vakuum nicht mit Substituten der Aussenwelt aufwiegen und dann noch glauben, in Frieden zu leben.
Die Ausreden, dem effektiv Wichtigen nicht den zentralen Raum in uns zu schenken, sind unendlich – aber sie zeigen ja nur auf, dass in uns die Prioritätenverschiebung geschehen ist: dass wir bereit waren, dem Dringenden, dem, was von aussen gerade auf uns zukommt, den Vorrang zu geben und die Sehnsucht der Seele zu vernachlässigen. Das Funktionieren in der Welt ist nie wesentlicher Lebensinhalt.

Die gefühlte innere Dringlichkeit auch im Leben umzusetzen ist eine Frage der Konsequenz, der Würde zur Seele, der Sehnsucht für das Wesentliche.
Durch Unwissenheit und Vergessenheit, Vernachlässigung – Ausblendung - ist diese natürliche Ordnung der Dinge durcheinander geraten. Es braucht nun ein wenig bewusste Anstrengung, diese Prioritäten wieder zu ordnen, die Umkehrung aller Werte wieder zu leben, die Verdrehung wieder zu korrigieren.
Und dabei bedarf es auch der Achtsamkeit, damit die Disziplin, die Ausdauer und die Treue, die auf diesem Pfad der Prioritätenzurechtrückung notwendig sind, nicht in Rigidität, falsches Pflichtbewusstsein und Monotonie übersetzt werden. Es ist ein lebendiger Weg, auf dem man sich immer wieder überprüft und selbst Dinge, die einmal förderlich waren, können zu Hindernissen werden.

2. März 2009

Augenblick

Mein sind die Tage nicht, die mir die Zeit genommen,
Mein sind die Tage nicht, die etwa mögen kommen.
Der Augenblick ist mein, und nehm ich den in acht,
so ist der mein, der Zeit und Ewigkeit gemacht.
(F. Rückert – „Die Weisheit der Brahmanen“)

Diese Aufmerksamkeit im Augenblick schenkt einen neuen Zugang zur Welt.
Man war es sich gewöhnt, sich an etwas zu erfreuen, anstatt einfach darin zu schwimmen.

Es ist eine erfahrbare Nähe Gottes, in welcher alle Tränen abgewischt werden. Da zerfallen die lang gehegten Hoffnungen auf ein anderes Sein. Die stammen von einer nostalgischen Erinnerung an ein verlorenes Paradies.

Im reinen Nun können die verschiedenen Zeitdimensionen, in denen wir uns in Angst, Berechnung, Sorge und Erwartung bewegen, ihre bannende Kraft verlieren.
Die kleinen Hoffnungen auf einen besseren Zustand trivialisieren das Jetzt.
Das Sorgen, was wir essen, was wir tun sollen, was aus uns werden soll, (Matthäus 6,25 ff) ist Ausdruck der Nichtwahrnehmung von Gottes Umgebenheit.

Meditative Achtsamkeit verwandelt die profane Welt in Besonderheit. Man wird darin dem Zweckdenken enthoben, da es in der Tätigkeit nicht um Erledigung einer Aufgabe geht, sondern nur das Wunder des Lebens dankbar wahrzunehmen – während man all das verrichtet, was es im Aussen zu tun gibt. Man tut normalerweise so viele Dinge, ist aber unfähig, die Intensität des Lebens wahrzunehmen und das macht einen noch unruhiger, da man in allem, was man tut, das Gefühl hat, am Wesentlichen noch vorbei gelebt zu haben.
Diese Wachheit des Momentes lässt einen jeden Augenblick lebendig sein und nicht nur in einigen wenigen. „Das Wunder ist nicht, auf dem Wasser zu wandeln, sondern auf der Erde zu gehen“, lehrt Thich Nhat Hanh.

Diese Gegenwärtigkeit und Präsenz im Moment scheint ein Gegensatz zur Eschatologie zu sein, zur beständigen Frage: „und dann?“, zur Ausrichtung auf die letzten Dinge.
Eingleisigkeit funktioniert nie in einem komplexen Universum. Wenn diese tiefe Ausrichtung auf das Letztendliche, auf Gott die Basis ist, dass ist tatsächlich das ganze Leben ein Sein auf Gott hin und nicht ein „Sein zum Tode hin“ (Heidegger). Ohne den Bezug zur letztendlichen Wirklichkeit jenseits unserer momentanen Umgebung, bleibt das Gefühl, seine Zeit zu verschwenden, die Unruhe.

Wenn das Jetzt die Basis ist, merkt man, dass man augenblicklich enthoben von allen Bedürftigkeiten sein kann.
Die Eschatologie im Krieg sucht nur die Sicherheit. Das heisst, die Ausrichtung auf das Letztendliche im Zustand des Leidens, im Zustand der Unversöhntheit benützt und instrumentalisiert diese nur, um sich seiner Beschwerlichkeiten zu entledigen. Das wesentliche Fragen nach eschatologischen Werten bezieht sich nie auf das Praktische, nie aus einer Enthebung der Leidenssituation. Die Wahrheit steht nicht in Dienste der Bedürftigkeit.
Die Gegenwärtigkeit und Präsenz im Moment ohne Eschatologie ist flach und blind. (Himbeere essen und zufrieden sein).
Aber Eschatologie ohne Verankerung im Augenblick ist Flucht, Projektion infantiler Bedürftigkeit, die in einer kindlichen Jenseitsvorstellung endet.

Die Verwandlung von Ronald Nixon

Transformation von Ronald Nixon

- die erstaunliche Geschichte eines Engländers, der 1928 in Vrindavan in die Krishna-Bhakti eingeweiht wird.

von Krishna candra (www.ananda-dham.com)


Geboren wurde er 1898 in einer christlichen Familie in England. Er studierte englische Literatur und danach wollte er sich ernsthaft dem Studium des Buddhismus widmen, was ihm aber aufgrund des Ausbruches des ersten Weltkrieges verunmöglicht wurde. Er wurde einberufen und als die deutsche Armee 1918 Belgien besetzt hatte, flog er mit der Royal Air Force einen Angriff.
Alle Flugzeuge der Engländer wurden dabei abgeschossen und er sah seine Piloten-Kumpanen alle in den Tod stürzen. Auch Nixons Flugzeug wäre abgestürzt, hätte nicht eine übernatürliche Kraft eingegriffen und den Steuerknüppel umgerissen. Als sein Flugzeug nun abwärts glitt, verlor er das Bewusstsein und erwachte erst wieder in einem Militärspital in London.

In seinem Genesungsprozess fragte er, wer ihn aus Belgien dahin gebracht hatte, und wie es möglich sei, dass er den Absturz überlebt hätte, was ihm aber niemand beantworten konnte. Im Spital hörte er mehrmals im Halbtraum eine klare Stimme, die ihm zusprach: “Ich habe dich gerettet, und du wirst mich in Indien finden!”

Kaum war er wieder auf den Füssen, suchte er nach einer Gelegenheit, nach Indien zu gehen. Zu der Zeit war gerade der Rektor der Universität Lucknow, Jnanendra Nath Cakravarti, in London, der einen Englisch-Lehrer suchte. Tief beeindruckt von Nixons intellektueller Brillanz, aber auch aufgrund seines Interesses in orientalischer Philosophie, offerierte er ihm den Posten.

So lebte er in Lucknow im Hause des Professors und seiner Frau Monika Devi, einer hoch gebildete, aber tief religiöse Frau. Dr. Cakravarti war einer der führenden Theosophen seiner Zeit, ein Freund von Blavatsky und Besant.
Neben seiner Anstellung als Lehrer setzte Nixon seine Suche nach dieser Stimme fort. Er studierte Pali und las die buddhistischen Original-Texte und praktizierte buddhistische Meditation. Er spürte aber bald, dass die Stimme nicht von hier kam. So lernte er Sanskrit und studierte die Upanishaden, die Bhagavad Gita und das Srimad Bhagavatam, was ihn tief bewegte.
Die Schlüsselfigur aber war Monika Devi. Äusserlich betrachtet war sie eine moderne Frau, die mit ihrem Mann nach Europa und Amerika reist, in gesellschaftlichen Anlässen immer alle unterhält, Witze macht und Geschichten erzählt. Aber in ihr war auch eine mystische Seite, die aber meistens verborgen blieb. Nur wenn Bhajans gesungen wurden über Krishna, dann sass sie nur noch ganz still und bewegungslos da und Tränen kollerten konstant über ihre Wangen. In solchen Momenten konnte man erahnen, dass sie in einer gänzlich anderen Welt zu Hause war.
Das war aber genau die Seite in ihr, die Nixon nicht entging. Manchmal sah er sie mitten in den Partys verschwinden und erst nach Stunden mit verweinten Augen wieder zurückkommen. Als er ihr einmal heimlich folgte, sah er sie bewusstlos vor einem kleinen Bild liegen. Er wartete und nach Stunden erwachte sie wieder und leuchtete über das ganze Gesicht. Sie strahlte einen unbegreiflichen Frieden aus.

Nixon spürte, dass er nun dieser mystischen Stimme, die im Londoner Spital vor Jahren zu ihm sprach, ganz nahe war. Nun wollte er alles wissen.
Am nächsten Tag rief sie Nixon in ihr Zimmer und sagte ihm: „In jedem Körper ist die unvergängliche Seele das Zentrum. Wenn man zur Seele hin erwacht, ist man eine gänzlich andere Persönlichkeit. Da erkennt man die Höchste Seele, Bhagavan und umarmt seine Füsse. Immer wieder ruft er mich und ich kann nicht widerstehen. Er ist in mein Leben gekommen.
Ich war anfänglich auch interessiert an der Theosophie, aber die Philosophie der Gita empfand ich als umfassender. So ging ich einmal nach Vrindavan und nahm spirituelle Einweihung von Balakrishna Goswami vom Radha-Raman Tempel. Seit da bin ich absorbiert im Krishna-Prema-sadhana. Eigentlich möchte ich meine Ausrichtung geheim halten, aber Krishna ist so frech, dass er mich manchmal einfach zu sich in seine unbeschreiblich wunderbare Gemeinschaft hinzieht.“

Nixon begann da mit Bhakti-sadhana unter der Führung von Monika Devi. Sie nahm ihn nach Vrindavan zum Radha-Raman Tempel mit. Anfänglich wollten ihn die Priester nicht hineinlassen, da Engländer auch Tempel zerstörten. Als er vor Radha-Raman stand, war es ihm ganz klar, dass er angekommen war zu Hause. Er hatte ihn vor Jahren schon gerufen. Er war diese Stimme, die ihn in England gerettet hatte. Die Reise über unendlich viele Leben in der Einöde kam zu einem Ende.
Jnanendra Cakravati erhielt den Posten des Rektors der Hindu Universität in Benares. Die Studenten aus Lucknow baten Nixon, zu bleiben, da sie ihn liebten und begeistert waren von seiner Gelehrsamkeit, seiner Klarheit in philosophischen Gedanken und vor allem von seiner völligen Absenz von Selbstsucht.
Aber er wollte nur weiter von Monika Devi lernen und so nahm er eine einfache Lehrer-Anstellung an und hatte viel Zeit, in der heiligen Atmosphäre von Benares. Hier begann er emsig und beharrlich mit seiner Yoga-Praxis. „Mit seiner angeborenen britischen Verbissenheit und Zähheit“, schrieb Sri Aurobindo einmal über ihn.
Als er dort einmal eine Vorlesung über die Aura Shivas gab, fragte ihn ein ultra-modern eingestellter Inder, was er als Westler denn in dieser schmutzigen Stadt von Staub und Lärm zu verehren gefunden habe? Mit einem strahlenden Lächeln antwortete er: „Gold-Staub, mein Freund, und die Musik der Ganga.“

1928 wollte Nixon Sannyasa (den lebenslangen Mönchstand) von ihr bekommen. Monika ging nach Vrindavan und erhielt selber die Sannyasa-Einweihung und hiess fortan „Yasoda Ma“. Nixon taufte sie „Krishna Prem“.



Es war unglaublich. Eine Frau, die im Luxus geboren war und der alles, was sie wollte, zur Verfügung stand, wurde nun eine Nonne und schnitt ihr Haar ab. Krishna Prem war vielleicht der erste Europäer, der Vaishnava-Einweihung erhielt. Er tauschte seine europäische Kleidung in die Saffran-Roben eines hinduistischen Mönches, hat Tulasi um den Hals getragen und einen Tilak auf seiner Stirn.
Krishna Prem trug auf seinen Reisen immer einen kleinen Deity von Krishna mit sich. In Madras traf er bei einer Konferenz auf eine englische Frau, die richtig erschüttert war, einen gebildeten Engländer zu sehen, der sich offensichtlich als Hindu verstand – Tulasi-Ketten um seinen Hals und in saffrane Tücher gekleidet - für sie war das ein Anachronismus im 20. Jahrhundert. Sie konnte sich nicht zurückhalten und schalt ihn: „Schämst du dich nicht, du Abtrünniger, mit diesen Eingeborenen zu verkehren und mit den Merkmalen des Aberglaubens zu parodieren, deine Heimat zu verraten und das Christentum zu verstossen?“ Sie tobte weiter, während Krishna Prem sie ganz still anlächelte, was noch mehr zu ihrem Zorn beitrug. „Was hast du denn gewonnen, nachdem du dein Vaterland, deine Kultur, deine Religion zurückgelassen hast?“ Er schaute auf seinen kleinen Deity und antwortete strahlend: „Ich haben Ihn bekommen, Madame, meinen Krishna.“


Yasoda Ma, ihre Tochter Moti Rani und Krishna Prem etablierten 1931 einen Ashram am Fusse der Himalayas, 27 Km Fussweg von Almora entfernt. Sie nannten ihn „Uttar-Vrindavan“ (das höher gelegene Vrindavan). Ein kleiner staubiger Pfad führte dahin, und die letzten 3 Km waren selbst für die Pferde zu steil. Der Ashram war ein Blumenparadies.





Gertrude Emerson, die Tochter von Ralph Waldo Emerson, lebte in der Nähe von Almora und besuchte Krishna Prem manchmal im Ashram.
„Alle paar Jahre kam er zu uns. Im Ashram gab es kein Radio und keine Zeitungen. Bei uns nahm er die Zeitung in die Hand, überflog sie kurz und bemerkte: „Wie ich sehen kann, sind es immer noch die gleichen Neuigkeiten wie vor ein paar Jahren. Dort ein Krieg, höhere Steuern, so viele Tote in einer Katastrophe, Unfälle… Aber ist irgendwo wirklich etwas geschehen?“
Wir hörten am Radio (das war während des zweiten Weltkrieges) die News aus Dehli gesendet. Er setzte sich im Yogasitz hin und lernte Sanskrit-Verse. „Hörst du das Radio überhaupt“, fragte ich ihn. „Ja, ein Sprechen von einem anderen Planeten, eine Art unverständliches Hintergrund-Geräusch.“

Später wurde die Ashram Familie noch durch zwei Engländer erweitert. Madhava Ashisha, der aus England gekommen ist, um im zweiten Weltkrieg als Ingenieur in Indien zu arbeiten. Als der Krieg vorbei war, gönnte er sich einen kurzen Ferienaufenthalt in den Himalayas. Er hörte von dem Ashram, besuchte Krishna Prem und blieb dann gleich im Ashram. Er ging nie wieder zurück nach England. Der andere war Dr. Alexander, der sich vom Posten des Chefarztes in Lucknow zurückgezogen hatte. Er nahm Ma als seinen Guru an und blieb dann auch in Uttar Vrindavan.

Yasoda Ma sagte Ronald Nixon bei der Einweihung:
„Selbst wenn du keine einzige Erfahrung mehr machst in gesamtem Leben, dann darfst du den Pfad nicht aufgeben!“ Die Hingabe funktioniert nie in der Halbherzigkeit.
Dann sagte sie ihm: „Krishnabewusstsein ist etwas Unmittelbares. Wenn du in den ersten 6 Monaten keinen Vorgeschmack auf Ewigkeit erlebst, hast du Zeit verschwendet.“
Einerseits braucht es die Entschlossenheit, immer weiterzugehen, auch wenn nichts mehr gefühlt und erlebt wird und andererseits bedarf es des Sprungs in die Gegenwart Gottes, die keine Konditionen stellt. „Bist du bereit alles zu geben, ohne etwas dafür zu bekommen?“, fragte Krishna Prema seine Gäste sehr oft.
Erfahrungen sind Vorboten der Wirklichkeit, und dennoch sind sie auch substanzlos, kommen und gehen wie der Wind. Viele hatten Öffnungs-Erfahrungen, aber nicht die Treue, weiterzugehen.

Man nimmt die wandelnde Welt (auch seine Erfahrungen) wahr, ohne sich in ihr (ihnen) zu verlieren.

Erleuchtung geschieht einen nicht einfach, sondern sehr unmerklich. Pade pade uparamed, buddhi drithya grihitaya (Bg 6.25) Genau wie das Einschlafen.
Und dennoch bedarf es der Dringlichkeit, genau zu wissen, wo es den Sprung zu nehmen gilt. Um den Abgrund zu überqueren reichen nicht ein paar kleine Hüpfer.
Der Epilog in seinem Buch „Initiation into Yoga“ lautet:

„Das feinste Holz stammt von den langsam wachsendsten Bäumen. Derjenige, der erwartet, dass er nach einigen Monaten zu einem Yogi gediehen ist, oder selbst nach ein paar Jahren der Praxis, wird sicherlich enttäuscht werden. Derjenige aber, der die Aufrichtigkeit und den Mut aufbringt, allem zu begegnen, was in den Katakomben seines Geistes verborgen war, und der die Berharrlichkeit hat, weiterzugehen, selbst wenn Schwierigkeiten im Innern und im Aussen auftreten, der demütig ist, anzuerkennen, dass alles, was er schon gemacht hat, eigentlich nur die ersten paar Schritte auf einer enorm riesigen Reise sind, demjenigen ist es sicher, etwas zu erlangen, das er nicht einmal dann hergeben würde, wenn er die gesamte Welt dafür bekäme. Sri Krishna spricht in der Gita davon, dass ein Sucher nach Yoga weit über die Hoffnungen und Ängste der gewöhnlichen Religion hinausgeht und selbst der kleinste Fortschritt in dieser Lebensaufgabe (dharma) befreit einem vor der grössten Angst (BG 6.44 und 2.40)




Eines Nachts, als Krishna Prema alleine im Ashram war, hörte er eine Stimme, die ihn gerufen hatte. „Dada, Dada!“ (Bruder).
Er wunderte sich, konnte aber niemanden sehen und schlief weiter. Dann hörte er wieder einen lieblichen Ruf aus dem Tempel heraus. „Dada, ich habe kalt.“

Ein Zittern durchlief seinen Körper. Er lief in den Tempel hinein und sah, dass ein Fenster offen war. Er deckte Gopal mit einem Chaddar zu und fragte ihn: „Thakurji, du frierst auch?“
Ein Strom von Tränen floss Gopal die Wangen hinunter.

Krishna Prem war erschüttert, konnte sich aber mit grosser Anstrengung zusammen nehmen und wischte Gopal die Tränen mit seinem eigenen Nachtkleid ab.

Warum weinte Krishna? Krishna Prema hat ihn doch nur gefragt, ob er friere.

Im Caitanya Caritamrta sagt Krishna selber:
sakale jagate mora…. (CC 1.3.15-16)
„Auf der ganzen Welt werde ich geehrt durch Ehrfurcht und aufgrund der Angst vor Konsequenzen, wenn man es nicht tut. Hingabe, die durch solche Verehrung geschwächt ist, wirkt auf mich nicht wirklich anziehend.“

Krishna ist nicht nur allmächtig, allgegenwärtig, allwissend und immer in seinem Selbst zufrieden (atmarama). Seine Allumfassendheit beinhaltet auch die Antithese davon: pararama, Gott, der ganz und gar auf seine Geweihten angewiesen ist und ohne sie keine Freude empfinden kann. Die ganze Welt schaut immer nur auf die eine Seite des majestätischen Aspektes, aber Vrindavan schenkt den Seelen einen Einblick in die Vertraulichkeit des pararama.
Hier ist Gott nicht unabhängig – der Bhakta badet ihn, er gibt ihm zu Essen, singt und tanzt für ihn in Liebe, und er nimmt ihren Dienst mit Liebe an und geniesst es. Er geniesst es, weil er sich wirklich danach sehnt, weil er im Austausch der Liebe seine Vollständigkeit, seine Allmacht, seine Unendlichkeit im Taumel der Liebe überschreitet.
Sehnen impliziert Unvollständigkeit. Der unendliche Herr, der alles schöpft, erhält und wieder auflöst, hat nie Mangel. Liebende Vergessenheit bedeckt seine Unbegrenztheit, dass er nun wirklich hungrig ist und sich wirklich nach dem Austausch mit der Seele sehnt. Und er hat kalt.
Das ist Teil seiner unglaublichen Grösse – der Herr, der immer jenseits aller Welten und der darin verknüpften Empfindungen ist, fühlt ähnlich, wie eine gewöhnlich innerweltliche Wahrnehmung. Aber gleichzeitig bleibt er in seiner Unberührtheit. Dieses Phänomen der Liebe gilt in den Veden als die letztliche Vollkommenheit des Absoluten.
„Das Leben ist wie ein wilder Fluss, der alle Wesen, Männer, Frauen, Kinder, Tiere und die gesamte Natur mitreisst hin zum Meer des Todes. Dinge scheinen beständig, weil sie gerade mit uns fliessen – aber alles eilt zur Auflösung hin. Alle Arrangierungen helfen uns nicht, da sie im gleichen Fluss stecken.
Aufgehobenheit gibt es nur, wenn man zum Ufer hingelangt. Das Ufer des Flusses, welches immer ganz nahe ist, ist Gott – mit was für Namen du ihn auch immer ansprichst.“
(Yoga of the Bhagavad Gita)

Als er gefragt wurde, was sein Verständnis von Gnade sei, erwidert er: „Wenn jemand in dieser Welt von Staub und Lärm sich selber vollständig als „atma-huti“ (Opfergabe) schenkt, sich selber verzehrt in der Flamme göttlicher Liebe, dann gibt es eine ungeheure Explosion – das ist die Gnade.




Krishna Prems Beziehung zu Radha-Krishna wurde immer intimer im Verlaufe der Jahre. Sunila und seine Frau Arati waren Schüler von ihm. Sie lebten in Allahabad und kamen gelegentlich auf Besuch in Almora.
Nach dem zweiten Weltkrieg hatten sie kein Geld für die lange Zugsreise und Arati verkaufte ihre goldenen Armreifen, um ihren geistigen Meister wieder sehen zu können.
Nach einigen Tagen im Ashram kam Krishna Prem mit einem goldenen Armreif aus dem Tempel und fragte Arati, was sie denn mit den ihren gemacht habe. Sie wollte das nicht preisgeben und schaute scheu auf den Boden.
Krishna Prema lächelte und sagte ihr, dass er alles wisse und dass Radharani ihm von ihrer Begierde, hier in den Ashram zu kommen, erzählt hätte. Sie hätte ihm nun den Armreif von ihr für sie gegeben. Sie fiel ohnmächtig zu Boden und als sie wieder erwachte, wusch sie mit ihren eigenen Tränen die Füsse ihres geistigen Meisters.
Obwohl Krishna Prem viele westliche Schüler hatte, akzeptierten ihn selbst viele Inder als ihren Lehrer. Er wurde als lebender Vaishnava-Heiliger geachtet. Obwohl er keine Mission der Verbreitung organisierte und über 30 Jahre in der Einsamkeit des Ashrams in den Bergen lebte, so schrieb er doch drei literarische Werke („search for truth“, „Yoga of Bhagavad gita“ und „Yoga of Kathopanishad“) und unzählige Briefe an Freunde in Indien und ausserhalb. In diesen Briefen gewährte er tiefen Einblick in seine persönliche hingebungsvolle Praxis und seine Verwirklichungen.
In seinem Einführungsbuch „Initiation into Yoga“ schreibt er:
„Eines der grössten Hindernisse um der Wahrheit zu begegnen ist der allgemeine Glaube unter religiösen Menschen, dass die Wahrheit niedergeschrieben sei in einem Buch, welches für sie dann das „heilige Buch“ konstituiert.“
Er gesteht natürlich zu, dass heilige Texte eine grosse Hilfe für den Suchenden darstellen können, „aber die Haltung blinden Annehmens dessen, was in einem Buch steht, ist sicherlich hinderlich und hält einen ab, das Wahre zu erlangen. Das Buch besteht aus ein paar schwarzen Zeichen auf einem weissen Blatt und was diese Zeichen einem bedeuten, hängt von den Ideen in unserem Geist ab, und diese wiederum von den Erfahrungen, die man in dieser Welt durchmachte. Die heiligen Schriften sind Srutis – wenn der Inhalt von einer verwirktlichten Seele gehört wird, haben sie plötzlich faszinierende Substanz. Das Lesen ist dann die Wiedererinnerung an den Eindruck, den man in der Gegenwart des Heiligen bekommen durfte. Aber ohne diese lebendige Berührung mit dem Inhalt sind die Bücher ziemlich wertlos.“
„Die eigene Sehnsucht nach Wahrheit hallt als Echo wider im Studium heiliger Texte.
Wenn das innerste Gewissen dann die heiligen Texte bestätigt, und man erkennt, dass dies nur die schriftliche Niederlegung einer effektiv nachlebbaren Erfahrung ist, dann spielt es keine Rolle, aus welcher Tradition die zu uns kommt. Dann legt man die historische Datierung des Textes und die Übereinstimmung mit bisherigen eigenen Glaubensanschauungen weg und widmet sich mit ganzem Herzen. Dann wird der Weg zur darin angelegten Erfahrung offen sein.
Die Seele muss zuerst einmal eine Wegstrecke gehen und die Gegenwart dieser inneren Führung wahrnehmen, bevor die Präsenz des äusseren Guru notwendig wird oder überhaupt erst hilfreich.”

Der Pfad, für welchen Krishna Prem seine Leser begeistern möchte, „ist ein Weg, der zu allen Zeiten existiert hat, in allen Ländern, obwohl die Namen, die ihn bezeichnet haben, ganz unterschiedlich waren.
Diejenigen, die diesen Pfad beschreiten, formen eine Geschwisterschaft, die viel tiefer geht als alle familiären Beziehungen. Selbst wenn man sich nie zuvor begegnet ist, spürt man die Verbundenheit… ein wahrer Gegenpol zu einer Welt der Gier und Konkurrenz.“

„Dieser Pfad hat eine gestörte Beziehung mit organisierten und offiziellen Religionen. Obwohl der Weg die gemeinsame versteckte Basis aller Religionen ist, so hat er dennoch sehr wenig mit einer Religion gemein. Die Lehrer dieses Pfades haben fast universale Feindseligkeiten von der Seite der organisierten Religionen erfahren.“

Auf diesem Weg gibt es gemäss Krishna Prema keine Abkürzungen oder psychische Tricks, durch die man Hass in Liebe transformieren könnte, Gier in Gelassenheit und Dumpfheit in Weisheit.
„Diese Umwandlungen sind keine einfache Aufgabe und es gibt keinen mechanischen Weg, sie zu bewerkstelligen. Es braucht mehrere Leben der Vorbereitung und niemand kann diesen Weg begehen wenn er sich nicht mit grösster Sorgfalt widmet – unvergleichbar mehr Aufmerksamkeit als wir je in irgendetwas dieser Welt investiert hatten.“
„Ständige Konsistenz und Übereinstimmung in allen Anschauungsfragen ist nur für Kleingeister wichtig. Der echte Sucher stürzt sich vertrauend in die Seinsverunsicherung. Er verlässt die Burg der vermeintlichen Geborgenheit. Unser Urgrund, Sri Krishna, bereitet in allem Geborgenheit. Aber er ist nicht berührbar nur in der Sehnsucht nach Geborgenheit, sondern allein im brennenden Wunsch nach Ihm selbst.
(All diese Zitate stammen aus seinem Werk “Initiation into yoga”)

Auch sein grösseres Werk „Yoga of the Bhagavad gita“ beginnt Krishna Prem mit einer Infragestellung von Schriften. Er weist sowohl die sektiererische Aneignung und Besitzergreifung der Gita von der fundamentalistisch geprägten Tradition zurück, als auch der rein intellektuelle Weg der Vernunft.
„In der Geschichte hat jeder Lehrer, der sich auf vedantische Autorität berufen hat, einen Kommentar zu Gita geschrieben, um aufzuzeigen, dass sie ihre Anschauung unterstützt. In der Folge findet man Kommentare aus verschiedensten Blickwinkeln aus geschrieben: monistisch, dualistisch, pantheistisch, theistisch, solche, die das Yoga der Handlung betonten, andere, die Erkenntnis unterstrichen (Jnana oder Gnosis) und liebende Hingabe an das DU Gottes. All diese Lebensperspektiven finden ihren Grundsatz in der Gita und diese universale Berufung auf sie ist Hinweis auf ihre Allumfassendheit und ihr autoritativer Status.“
„Der Pfad der Bhagavad gita ist nicht das Privileg der Hindus noch irgendeiner Konfession. Es kann – mehr oder weniger tief vergraben – in allen Religionen erfasst werden oder existiert jenseits aller formellen Religionen. Das ist der Grund, weswegen die Gita, obwohl indischen Ursprunges, geeignet ist, den Suchern auf der ganzen Welt Wegmarkierung, Anhaltspunkt und Anleitung zu sein.
In seinem Buch “Yoga of the Bhagavad Gita” zitiert Krishna Prem ausführlich aus den Upanishaden, Plato und Plotinus, theosophische Werke, aus den Lehren Buddhas aus der Perspektive des Theravada und Mahayana, sowohl aus christlichen Texten, britischen Romantikern, Jungs Studien und bezieht auch moderne Psychologie mit ein.
Yasoda Ma und Krishna Prem waren immer eng miteinander verbunden.
Viele Leute kamen mit Fragen in den Ashram. Yashoda Ma sass da und sagte, sie sollen Gopal (ihr Kosename für Krishna Prem) fragen, der ihnen perfekt antworten könne. Er sagte: „Ein Wort von ihr bewegt viel mehr als 10 Vorträge von mir.“ Die Hingabe zum Guru, aus der alle Erkenntnis strömt, war ihm immer der zentrale Fokus.
Yasoda Ma hatte auch tiefe Liebe für ihren Gopal.





Dilip Kumar Roy, einer der berühmtesten Sänger Indiens, wohnte den Vorlesungen von Krishna Prem oft bei. Er stellte danach die Frage an Ma: „Wenn doch die Seele wirklich ist, wieso arbeite ich dann noch immer unter der Illusion, dass die Hülle die wesentlichste Realität ist und schätze sie mehr als alles andere in der Welt?“
„Wir schätzen den Körper, da er vom Herrn belebt und bewohnt wird,“ sagte Ma lächelnd, „Er macht ihn so liebenswürdig. Aber das bemerken wir noch nicht, solange wir Ihn nicht gefunden haben. Dann sieht man ganz klar, dass nichts in der Welt einfach nur für sich existiert – gesondert von Ihm. Und wenn du Ihn erkennst als das Liebste von allem Lieben, muss man dir dann sagen, du solltest Ihn wertschätzen, über Ihn meditieren oder Seine Namen singen? Dann wirst du nicht fähig sein, etwas anderes zu singen als Seine Namen. Betrachte doch Gopal (Krishna Prem). Könnte ihn irgendetwas abbringen von Seinen Füssen? Sie können es versuchen. Offeriere ihm ein Königreich oder himmlische Mädchen – ich kann dir sagen, dass er nicht einmal danach schauen wird. Weshalb? Weil er einen Einblick hatte in Seine Schönheit. Alles Schöne aller Welten zusammengenommen wirkt daneben nur blass und leer – sinnloses Tand. Dilip, ich versichere dir, dass das nicht Theorie ist, sondern ich spreche von direkter Erfahrung“

Im Herbst 1938 kam Krishna Prem mit Yashoda Ma nach Prayag, um sie von kompetenten Ärzten behandeln zu lassen. Viele Jahre lang litt sie unter verschiedensten Gebrechen und sie konnte sich gar nicht mehr alleine aus dem Bett erheben. Aber auch in diesem Leiden des Alters strahlte sie aus ihrem ausgemergelten Gesicht und eine gelassene Heiterkeit entströmte ihrem Wesen.
Wann immer sie jemand auf ihren gesundheitlichen Zustand ansprach, sagte sie, dass er sich keine Sorgen darüber zu machen brauche, da der Herr sie mit einem unbeschreiblichen Frieden gesegnet habe, der ihr konstanter Begleiter wurde und welcher allen physischen Schmerz mehr als aufwog.
„Dieser Körper ist wirklich wie ein Käfig. Derjenige, der da drin residiert, ist die effektive Person und man sollte sich nur nach ihm erkundigen und ihn erfragen. Ich habe direkt gesehen, dass dieser Seele, der Vogel der Glückseligkeit, gänzlich unabhängig von diesem Körper existiert. So was macht es denn nun aus, wenn der Käfig zerbricht?“
Als sie 1944 ihren Körper verliess, war das eine dunkle Wolke der Traurigkeit, die sich über den Ashram ausbreitete. Als Krishna Prem ihren Körper bei den Wasserfällen von Dandeshvara kremiert hatte, kam er erschöpft, müde und traurig spät zurück. Als er in den frühen Morgenstunden immer noch geschlafen hatte, tauchte sie in seinem Traum auf und sagte: „Wieso schläfst du noch immer? Es ist Zeit für Bhajan!“ Nach einiger Zeit fügte sie hinzu: „Du kannst versichert sein, dass ich immer bei dir bin – genau wie zuvor.“ „Wenn du nun so nahe bist, werde ich dich aber nie wieder sehen?“, fragte er mit Tränen in den Augen. „Wir werden uns im cinmaya (transzendentalen) Vrindavan wieder begegnen“, war ihre Antwort. Ihre Präsenz spürte er ständig bis er 1965 seinen Körper aufgab.

Seit Anfang der 30 Jahre gingen Krishna Prema und Ma jeden Winter nach Vrindavan und es entstand eine warme Beziehung mit Balkrishna Goswami vom Radharaman Temple.
Diese Freundschaft hat Krishna Prema vertraut gemacht mit dem Verständnis von Caitanya Mahaprabhu. Lange Zeit hatte er gezweifelt an der Identität von Gauranga als Sri Krishna, bis Krishna ihm in einem Traum offenbarte, dass Sri Caitanya Mahaprabhu niemand anders sei als er selber.
Krishna Prema wurde danach in Vrindavan oft mit dem Übernamen „gaura-prema-nidhi“ (einen „Ozean der Liebe für Gauranga“) angesprochen.

Nach dem Verscheiden von Yasoda Ma begann er 1948 eine längere Pilgerreise nach Südindien. In Tiruvanamalai begegnete er Ramana Maharsi.
Jeden Tag sass der Heilige auf seinem Bett und viele Meditierende setzten sich um ihn. Als sich Krishna Prema in diese überwältigende Stille setzte, hörte er dann gerade eine Stimme, die ihn immer und immer wieder fragte: „Wer bist du? Wer bist du?“
Er versuchte, diese Stimme zu ignorieren, aber sie kam immer und immer wieder wie ein unerwünschter Besucher und klopfte an seiner Türe. So formulierte er eine Antwort: „Ich bin Krishnas ewiger Diener!“ Sogleich verwandelte sich diese Stimme in: „Wer ist denn Krishna?“ Er antwortete: „Nandas Sohn.“ Aber die innere Fragerei ging wild weiter und hörte einfach nicht auf, unabhängig wie oft Krishna Prem Antworten lieferte „er ist der Herr aller Herzen, er ist der Ursprung aller Avatars…“. Tief aufgewühlt verliess er nach einiger Zeit diese „stille“ Meditation und kehrte dann erneut in die Halle zurück. Die Fragerei setzte gerade wieder ein. So rief er Radharani an. Sie offenbarte sich ihm: „Nichts existiert ausserhalb von Krishna, nichts ist neben ihm. Wie kann man ihn vollständig beschreiben? Krishna ist Krishna!“
Als er sich am nächsten Tag wieder zu den Meditierenden hinsetze, lächelte ihm Ramana zu. Er verstand, dass er es war, der all diese Fragen aufwarf. Als Krishna Prem nun die Augen schloss, umarmte ihn ein unendlicher Friede. In der Stille wandte er eine Frage an Ramana: „Kann ich demütig fragen, wer denn du bist?“ Unfreiwillig musste er kurz seine Augen öffnen und sah, dass Ramana gar nicht mehr auf seinem Bett sass. Der Sitz war leer. Er schloss die Augen wieder und öffnete sie im nächsten Augenblick wieder. Ramana sass wieder da genau wie vorher. Er merkte, dass dieses Wesen nicht wirklich in der Welt der Namen und Formen lebte.
Diese stille Konversation zwischen diesen beiden grossen Seelen zeigt verschiedene Ansätze der Transzendenzerkenntnis auf. Der Jnani forscht immer weiter und erkennt, dass jede Einsicht immer wieder vorläufig ist. Dabei muss er die Bereitschaft haben, nicht am bisher Erkannten zu kleben und immer wieder neu alles aufzugeben. Der Bhakta ergibt sein Leben und seine Seele diesem unbekannten und doch nächsten Gegenüber und wird von da her so liebevoll geführt, dass er dieser Liebe nur mit noch intensivierter Liebe antworten möchte. Alles erfährt er als Geschenk, als Offenbarung von der konzentrierten Form aller Schönheit und Liebe.
Ramana Maharsi sprach dann im engen Kreis seiner Schüler mehrmals über Krishna Prem und sagte, dass er eine seltene Verbindung von einem Jnani und einem Bhakta sei.




Auf dieser Reise trag Ronald Nixon auch Sri Aurobindo und die Mutter.

Von Tiruvanamalai ging er weiter nach Sri Rangam, wo er im Tempel eine erstaunliche Erfahrung machen durfte. Als er sich vor Sri Vishnu verneigte, verlor er das äussere Bewusstsein und sah plötzlich lächelnd Radha und Krishna vor sich stehen und hörte die magische Flöte Govindas.

Krishna Prema hat einmal geschrieben: „Wenn du das Ewige erlangen möchtest, musst du dein Boot von deinem bekannten und gesicherten Küstenwasser wegsteuern und zum anderen Ufer hingelangen. Auf seinem Sterbebett sagte er die letzten Worte: „Mein Schiff segelt nun davon“. Am 14. November 1965.







Am 26. November schreibt der Präsident von Indien, Dr. Radhakrishnan: „Ich bin zutiefst traurig zu hören, dass Sri Krishna Prem weitergezogen ist. Ich habe so viel über ihn gehört, hatte aber nie das Glück, ihm persönlich zu begegnen. Ich weiss, dass er nicht gewöhnlich war. Wir haben eine grosse Seele verloren auf dieser Erde.“

Kurz vor seinem Tod schreibt er Dilip Kumar Roy: „Man übergibt das Sterbliche als ahuti (als Gabe) der Flamme des Unsterblichen. Selbstdarbringung muss total und bedingungslos sein. Dafür setzt man alles, was nicht wesentlich ist auf das, was immer voller Substanz ist. Das ist die vollständige Ersetzung der Selbstsucht durch Krishnas lieblichen Willen.“









Quellen:

- Sri Madhava Ashish, "Sri Krishna Prem through the eyes of a disciple"
Krishna Prema, „Initiation into Yoga: An Introduction to the Spiritual Life » (London: Rider and Company, 1976), According to the foreword by Sri Madhava Ashish, this essay was originally written around the start of World War II. The first part of the essay had been published as "The Search for Truth" in a volume of that title, published in Calcutta in 1938. [Sri Krishna Prem, The Search for Truth (Calcutta: Ganesh Chandra Bose, 1938).]
- „Yoga of the Bhagavad gita“
- Dilip Kumar Roy, Yogi Sri Krishna Prem (Bombay: Bharatiya Vidya Bhavan, 1968)
- Andrew Rawlinson, ”Sri Krishna Prem/Ronald Nixon," The Book of Enlightened Masters: Western Teachers in Eastern Traditions (Chicago: Open Court, 1997)
- Narendra Nath Kaul, "Preface" and "A Biographical Note," Writings of Sri Krishna Prem; An Introduction (Bombay: Bharatiya Vidya Bhavan, 1980)
- O.B.L. Kapoor, "Sri Krishna Prem and Yashoda Ma," Braj ke Bhakt (Aravali press, 1992)

18. Februar 2009

Treue zum Innersten

Wenn ein Mensch Wahrheit berührt, die völlig jenseits seines bekannten Lebens ist, wird man natürlicherweise entflammt. Ein Feuer wird entfacht.

Begeisterung und Euphorie sind aber nur Begriffe der Peripherie eines inneren Weges. Wer sich in der äusseren Freude verliert, wird schnell die Erfahrung eines Strohfeuers machen. Das brennt kurz lichterloh und es gibt Menschen, die sich dann für erleuchtet halten. Aber schon Momente später ist es wieder erloschen und abgebrannt. Es ist leicht bei Menschen das Feuer kurzfristig zu entflammen. Man kommt in eine intensive Situation und ein Raum zur Unendlichkeit öffnet sich. Viele Menschen sind begeistert und machen eine öffnende Erfahrung der Liebe. Die ganze Welt ist nur noch Liebe. Doch dann, ganz plötzlich, ist alles verschwunden. Eben war noch alles Liebe und nun ist wieder die alte Betäubung, die Dumpfheit und die Angst vorhanden. Ist man nun noch immer bereit, in die Hingabe zu gehen? Oder wird man sich zurückziehen und warten, bis man das nächste Mal eine überschwängliche Erfahrung von Liebe hat, in der man glaubt, sich wieder hingeben zu können.

An diesem Punkt wird das innere Leben an seine vielleicht wichtigste Herausforderung hingeführt: an die Bereitschaft, das Feuer weiter zu nähren, auch wenn es nicht stark brennt. Die Ermutigung zur innere Treue und darin weiterzugehen, auch wenn man nichts sieht. Nachdem die erste Phase des Brennens vorbei ist, zeigt sich die Reife, inwiefern es einen wesentlich um Erkenntnis geht. Inwiefern es einen um Krishna geht oder um seine eigenen Erlebniswelten.
Ist man bereit, den Kräften klar zu begegnen, die Sand auf das Feuer streuen wollen, die sich dem Alten zuwenden wollen und die möchten, dass alles so bleibt, wie es immer war?
Es ist ganz natürlich, dass der Enthusiasmus nicht immer gleich ist. Es gibt Phasen, in denen es lichterloh brennt und in anderen zieht es sich bis in die Glut zurück.
Unabhängig davon fordert es in mir die kontinuierliche Hinwendung der Aufmerksamkeit auf die Seele, auf ihre Beziehung zu Krishna.
Der innere Weg ist nur schon deshalb nicht immer begeisternd, weil sonst meine Erfahrungssucht und den Drang nach äusserer Stimulation nur genährt würden. Die alten Tendenzen zur Bequemlichkeit, zu kurzfristigem Erfolg und Wohlergehen werden in dieser Phase erst überwunden.
Ist man bereit, weiterzugehen als die Erfahrungen schlichter Begeisterung?
Ausdauer, Geduld und Treue führen tiefer als die aufbrausende Euphorie.
Dann berührt man einen Strom ununterbrochener stillen Freude, der kontinuierlich erfahren wird und der nicht mehr abhängig ist von den Umständen im Aussen wie Augenblicke der Überschwenglichkeit oder Augenblicke der Schlichtheit und Nüchternheit.

Solange man diesen Zuständen noch Wert zuspricht, wird innere Tiefe verunmöglicht.
Die Seele ist nie verschmolzen mit all den erlebten Zuständen in der Welt der Gedanken und Emotionen und den Erlebnisse, die diese durchlaufen. Der innere Weg lehrt Abstand zu bewahren von der Welt der vorbeiziehenden Formen und Zustände.

Dann ist es wirklich gleichgültig, ob der Augenblick begeisternd oder schnöde ist, ob klein oder gross, ob einfach oder spektakulär, ob er viel Wirkung zeigt in der Welt oder bescheiden bei sich bleibt, ob er freudvoll oder schmerzvoll ist.
Bei Krishna ist die kleinste aufrichtige Zuwendung zu ihm niemals unvergessen.

14. Februar 2009

Bolo bolo

„Und wieder sitze ich im Bus. Es ist morgens um sieben Uhr dreissig, Linie 32. Es ist regnerisch und kalt, bald wird es wieder schneien. Die Nässe durchdringt Schuhe und Hosen.Wie gelähmt sitze ich da und sehe die gefassten, ruhigen Gesichter. Eine junge Frau unterdrückt ein Gähnen, verzieht ihre Mundwinkel. „Nordstrasse“, brummt der Chauffeur. Wieder überfällt mich dieses Gefühl der Fremdheit. Ungläubig starre ich durch das Fenster. „Wozu das Ganze?“ „Warum mache ich das noch mit?“ „Wie lange noch?“ Eine Maschine hat mich im Griff. Ekel staut sich inmeiner Brust. Es geht unaufhaltsam dem Arbeitsplatz entgegen. Der Aufschub ist kurz, die Zeit zerrinnt von Station zu Station. Gewaltsam wurde ich aus dem Schlaf entrissen, widerstandslos verschlingt mich die Alltagsmaschine.

Meine Haltestelle kommt, doch ich kann nicht aufstehen. Ich bleibe sitzen bis zur Endstation. Aber der Bus hält nicht mehr. Er fährt weiter: durch Österreich, Jugoslawien, die Türkei, Syrien, Persien…nach Indien. Unterwegs verwandelt sich der Bus: Er wird umgebaut, farbig bemalt, mit Betten versehen, repariert, dem wechselnden Klima angepasst. Die etwa zwanzig Passagiere werden zu einer engen Lebensgemeinschaft. Sie suchen unterwegs Jobs, um den Treibstoff, die Ersatzteile und die Lebensmittel kaufen zu können. Alle arbeiten werden geteilt. Sie erzählen sich ihre Geschichten. Das andere Gesicht des Alltags kommt bei allen zum Vorschein: Leistungsverweigerung, Sabotage, Indiskretionen, Krank-Feiern, solidarische Aktionen, Racheakte gegen Chefs, nächtliche Anschläge. Alle haben auf ihre Art irgendwann Widerstand geleistet und versucht, die Maschine aufzuhalten. Vergeblich. Fünf Jahre später kehrt der Bus zurück. Er ist von Auf- und Anbauten überkrustet, trägt Inschriften in unbekannten Alphabeten, hat bunte Vorhänge. Niemand erkennt ihn wieder, und die Rückkehrer sind Fremde geworden.

Haltestelle. Aussteigen. Der Traum ist zu Ende. Wochenenden, Ferien, Illusionen und Fluchtphantasien gehen immer wieder zu Ende, und wir sitzen wieder im Bus oder in der Strassenbahn, im Auto oder in der U-Bahn. Die Alltagsmaschine triumphiert über uns. Wir sind ein Teil von ihr. Sie zerstückelt unsere Energien in Zeitfragmente, kanalisiert unsere Energien, zermalmt unsere Wunschträume. Wir sind nur noch gefügige, pünktliche, disziplinierte Zahnrädchen in ihrem Getriebe. Und die Maschine selbst treibt dem Abgrund entgegen. Auf was haben wir uns da eingelassen?“

So beginnt das Kultbuch des Anarchismus, „Bolo bolo“, das einen Ansatz einer neuen Gesellschaft visioniert. Es ist doch wertvoller, auf eine Utopie zuzugehen, als in einer Illusion weiterzuleben.

Wer hat nicht schon einmal in sich das Gefühl in sich getragen, auszubrechen, das Neue zu wagen, auch wenn es verrückt scheint?
Es gibt natürlich viele Gründe, alles beim Alten zu belassen, aber die Würde zum innersten Selbst will sich nicht zufrieden geben mit dem Bequemen, mit dem Zustand, wie er halt immer schon war.

Gemäss dem Gesetz der Trägheit will alles so bleiben, wie es ist. Wir auch! Das Wagnis, aus sich herauszutreten, "uns" hinter uns zu lassen, und uns voller Vertrauen dem ganz Frischen und Neuen zu überantworten, letztlich Gott, damit er mit uns tue, wie es ihm gefällt - dies erscheint dem bedingten "Ich" geradezu unmöglich. Wir wehren uns gegen eine solche Zumutung (da eilt uns die Stimme der Angst zu "Hilfe") und tun alles, um ihr auszuweichen. Lieber gewöhnen wir uns daran, einen Splitter im Finger zu haben, als uns dem Schmerz der Operation zu stellen.

Es ist nicht, dass wir es nicht wagen, weil es schwierig sein könnte, sondern weil wir nicht wagen, ist es schwierig.

9. Februar 2009

Ringen um Worte

Rumi sagt, Worte seien nur Staub, den der Besen „Zunge“ hervorbringt auf der Grundlage der Erfahrung.
Alle Heiligen haben unter diesem Staub der Worte zu leiden gehabt. Sie können in Bildern umschreiben, hinweisen, aber nie tel quel benennen, was mit ihnen geschah und wie sie Gott wahrnehmen. In der Sprache der Menschen wohnt eine gewisse Hilflosigkeit, das Ewige allgemein verständlich auszudrücken.
Wie kann man sich über etwas, das nicht die uns umgebende objektive Realität darstellt, verständigen? Kann man einem Wesen ohne Geruchssinn den Duft einer Rose verständlich machen? Einem Nichtverliebten den Zustand des Verliebtseins vermitteln? Einem Nüchternen die Gott-Trunkenheit? Unsere Sprache erfährt da eine Hilflosigkeit. Wir können das, nachdem wir uns am meisten sehnen, nicht so einfach kommunikativ miteinander teilen.
Es geht um das Problem der unzureichenden Sprache, die Unausdrückbarkeit, die Unsagbarkeit wenn es um das Thema Gott geht.
Für einen Fundamentalisten ist es klar: „es steht doch genau so geschrieben und man muss es nur noch schlucken“. Unsere Welt ist allerdings Beweis genug dafür, dass unreflektierte, nicht durchdachte und aufgeschlüsselte Spiritualität viele aufrichtige Menschen in die Gottesferne getrieben hat.

Angelus Silesius (1624-1677) schreibt:
„Je mehr du nach ihm greifst, je mehr entwird er dir.“
Die Sprache ist zu eng, zu verstaubt, zu nichts sagend, zu irreführend, um den mystischen Zustand auszudrücken.
Alle Worte sind besetzt mit einer innerweltlichen Erfahrung. Jedes Wort ist in uns mit einem Bild besetzt. Genau das macht die Worte, die das Heilige umschreiben, zum Götzen, zum selbst gemachten Bild.
Es braucht das Misstrauen gegenüber der Sprache. Sie ist eine Konvention, eine Abmachung innerhalb dieser Welt, der wir alle einfach zugestimmt haben, um die benennbare Welt zu benennen.
Peter Bichsel schreibt in einer Geschichte, wie jemand sich dieser Konvention entzog und eigene Benennungen machte. „Ich nenne ab heute einen Stuhl Bett, Tisch nenne ich Decke, Essen nenne Fahren, Käse nenne ich Kaulquappen, etc.
Er setzt sich auf das Bett an der Decke um Kaulquappen zu fahren.“ Die Sprache hat etwas Willkürliches… und eignet sich deshalb nicht für das Unveränderbare.

Raghunnatha das Goswami spricht im „Vilapa Kusumanjali“ von „mukha asvadan-vat“, dass er sich wie ein Stummer fühle, der etwas Wunderbares erlebt hat, aber nicht fähig ist, die gesamte Erfahrung zu vermitteln. Er erlebt seinen Austausch im ewigen spirituellen Körper mit Srimati Radhika in der ewigen Welt, kann aber nur Bruchstücke davon in diese Welt hineintransportieren und diese dann auch nur in Bengali, einer Sprache, in der die Menschen seines Umfeldes jedes einzelne Wort mit einem Bild ihrer eigenen Erfahrung besetzt hatten.
Eine franziskanische Mystikerin in Italien, Angela von Foligno (1248-1309), nennt ihre eigenen höchst präzisen Schilderungen dessen, was sie im Austausch mit Gott erlebt hat, Blasphemien.
Ein klassisches Zeugnis der abendländischen mystischen Tradition für die Limitiertheit der Sprache ist das Traktat „Wolke des Nichtwissens“. Ein unbekannter englischer Priester aus dem 14 Jahrhundert, vielleicht ein Kartäusermönch, hat diese Erfahrung niedergeschrieben.
„Wenn ich von Dunkel spreche, so meine ich ein Dunkel des bewussten Erkennens, das zwischen dir und einem Gott liegt.“ (4. Kapitel)
Kurz vor seinem Tod hatte Thomas von Aquin, dem grössten Denker und theologischem Konzeptdenker des Mittelalters, während einer Messe ein mystisches Erlebnis, das ihm die Sprache verschlug. „Mir ist solches geoffenbart worden, dass das, was ich mein Leben lang geschrieben und gelehrt habe, als belanglos erscheint.

Die Rede wird flach, geistlos, banal, wenn sie glaubt, alles zur Verfügung zu haben, alles genau erklären und umschreiben zu vermögen. Das kann vielleicht die technische Beschreibung, aber nicht die die Faszination der Liebe. An der Grenze und nicht im Inland, wächst die Sprache. Bei Gott sind alle Worte nur noch ein Stammeln, Hinweis, den derjenige versteht, der die gleiche Erfahrung geschenkt bekam oder zumindest in die gleiche Richtung schaut.
Das Thema Gottes ist das, was uns unbedingt angeht (Paul Tillich), es ist das mystische Apriori, der heilige Imperativ. Die Bemühung, Gott zu verstehen, ist durch die Erkenntnis der Limitation der Sprache nicht lahm gelegt oder verunmöglicht, sondern wird nur differenzierter.

Jede Aussage über Gott wirkt limitierend und würde ihn schmälern. Deshalb bediente sich die mystische Sprache der via negativa, der Negation von allem, um wenigstens darauf hinzuweisen, dass die Erfahrung Gottes von grundlegend anderer Wesensart ist. Für sie ist die Verneinung (griechisch apophaseis) wahr und die Bejahung (kataphaseis) unzureichend. Apophatische und kathaphatische Tradition – das Wahre und das Unzureichende, ergänzen sich in Wirklichkeit und bleiben aufeinander angewiesen. So gelangt man über die bisherige Besetzung des Wortes hinaus – zu dem hin, was das Wort letztlich ausdrücken möchte.
Um den Worten ihre Ladung zu entnehmen, die sie durch die eigenen Erfahrungen automatisch bekommen haben, braucht es das Zulassen der Ungewissheit. Das Vedanta Sutra spricht von avacaniyata, der Unfähigkeit der Worte, die Wahrheit zu erfassen. Das muss wirklich angenommen werden.



Zulassen der Ungewissheit

Im Alltagbewusstsein in der Umgangswelt denken wir, dass wir manchmal etwas missverstehen, dass wir aber doch das meiste erkennen und verstehen.
Sat-Sang, Gemeinschaft mit Heiligen, lässt uns das Gegenteil diagnostizieren: auch wenn man im spirituellen Leben meint, etwas verstanden zu haben, ist es mit grosser Wahrscheinlichkeit einfach ein erneutes Verkennen.
Diese Missdeutung und Verfälschung geschieht aufgrund des riesigen Schattens, den wir mit uns tragen, ein Schatten von vergangenen Eindrücken. Ohne dieses Handicap wäre jegliches spirituelles Bemühen eine Einfachheit.
Dieser dicke Filter unserer eigenen selbst verursachten Vergangenheit kreiert auch im Heiligsten wieder Dunkelheit.
Alles Verstehen, jede Verwirklichung wird dadurch verzerrt und es untersteht nicht einmal der eigenen Kontrolle, es nicht zu verzerren.
Aber was man tun kann, ist, dies einzugestehen, dieses Phänomen anzuerkennen, die Achtsamkeit vergrössern, wodurch der verzerrende Teil des Unterbewusstseins verkleinert wird.
Erst im Licht des Gewahrwerdens, in konstanter Aufmerksamkeit löst sich der Schatten der eigenen Eindrücke in jedem Wort allmählich auf, der ja genau aus der Unaufmerksamkeit besteht.
Erst in der vollkommenen Bewusstheit und Wachheit wird dann das Missverständnis ausgeschlossen. Der Erwachte erst versteht wirklich. Und bis dahin ist die Erkenntnisfähigkeit gefärbt und getrübt, das Wissen auch immer noch teilweise Täuschung. In der Annahme und der Akzeptanz dessen wird das Ego geringer, da es sich einzugestehen hat, dass all sein Verstehen sehr relativiert wird von einem gleichzeitigen Missverstehen. All das, auf das sich das Ego behaupten möchte, ist gar nicht so gesichert. Das Ego verliert seine Sicherheit, wenn es sich eingestehen muss, dass all seine Annahmen Eventualitäten sind. Es wird durchlässiger. Auf jeden Fall wird man einfacher und unschuldiger und in der Unschuld wird die Meditation erst möglich.

Wenn die Widerstände gegen die Ungewissheit meiner Wahrnehmung und meines Verstehens sich auflösen, wird man offener und sensibler für die Möglichkeiten, die sich ausserhalb meines gegenwärtigen Verständnisses befinden. Man wird weniger bestimmt, und festgesetzt, denn der Wissensstand ist noch nicht definitiv. Die arrogante Sicherheit löst sich auf, die gerade im Religiösen den eigenen Zugang zur Wirklichkeit blockiert.

Wenn jemand verliebt ist in eine andere Person, fällt es enorm schwer zu sagen: „Es besteht die Möglichkeit, dass ich dich liebe. Ich liebe dich vielleicht“ Aber es entspricht der Wahrheit, denn im momentanen Zustand kann nicht mehr gesagt werden. Denn wie oft dreht sich diese so genannte Zuneigung in ganz kurzer Zeit in Hass um.... Wieso der dünnen Spitze des Eisbergs unseres Oberflächenbewusstseins gerade ganz vertrauen? Im nächsten Moment kann die Entscheidung wieder ganz anders aussehen, da im riesigen Bereich des Schattens noch ganz andere Informationen verborgen liegen, die das Handeln dann gezwungenermassen prägen werden.

Ein grosser buddhistischer Heiliger, Mahavira, benützte auch als erleuchtete Seele das Wort “vielleicht” “wahrscheinlich” in jeder Antwort, die er den Fragenden gab, was natürlich jede Aussage relativierte.
Aus diesem Grund hatte er nicht viele Schüler, denn die bedingte Seele möchte Gewissheit, auch wenn es in ihrem Zustand gar nicht möglich ist. So lässt der Wunsch nach Sicherheit alles Gehörte zu einem Konzept versteifen, was die Erfahrbarkeit, die Verwirklichung des Verständnisses natürlich verunmöglicht.
Die Menschen sind schon in einer unsicheren Existenz, in einem ungewissen Leben. Und aus dem heraus will man ein klares und absolutes Glaubenssystem.
Deshalb spricht Krishna in der Bhagavad Gita davon, dass man für die Begegnung mit der ewigen Wahrheit (sanatan dharma) alle Hoffnung aufgeben und alle Schein-Sicherheiten hinter sich lassen muss (sarva dharman parityaja).

Mahavira vermittelte keine Konzepte (das ist ein wichtiger Ansatz im Buddhismus geblieben). Als ihn jemand nach Gott gefragt hat, antwortete er: „Vielleicht“. Aber wenn man ein Gott verehren möchte, der ein „Vielleicht“ ist, dann würde auch das Gebet zu ihm zu einem „Vielleicht“ werden und das gesamte Glaubenssystem, seine Religion wäre eine Idee der Relativität. Aber in den konfessionellen organisierten Religionen sind „vielleicht“ und „aber“ gebannt.

In aller Verwirrtheit und Konfusion des Alltags will der unernsthafte Gottsucher nun einfach Gewissheit und Sicherheit. Er will sich nicht der ewigen Suche nach Gott ausliefern, die ihn zunächst einmal noch in viel existentiellere Unklarheit hineinbringt, in der dann alle bisherigen akzeptierten Grundlagen auch noch zerfallen.

Und so mag der Ursprung des Glaubens noch so heilig und transzendental sein, aber er sucht ja nur ein kleinliches Festhalten, ein verbürgerlichtes Glaubenwollen, das ihm Sicherheit und Schutz, Gewissheit und Sorglosigkeit, letztlich eine Rechtfertigung für seine Anhaftungen im Leben vermittelt - ein gerettetes Leben als eine Bürgschaft für ein gutes Gefühl.
Er will nur ein Gott, der ihn, seine Familie und sein Weinkeller beschützt, und zu dem er beten kann, wenn er gerade nicht mehr weiter weiss und wenn es ihm gerade schlecht ergeht – und will sich nicht von ihm erschüttern und entwurzeln lassen.
Hätte er den Gott nicht, würde er sich einfach verloren und einsam fühlen. Und dafür soll Gott nun sein magisches Pflaster werden.
Echte Heilige geben nicht oberflächlichen Trost und illusionären Mut, sondern zerstören ihn. Sie vermitteln nicht Behaglichkeit und Wohlergehen, sondern eine radikale Kehrtwende, in der man sich selber verliert. Srila Sridhar Maharaja sprach immer wieder davon, „zu sterben, um zu leben“. Wir haben Angst davor.

Wenn wir dieser Angst nicht begegnen, wird die ganze Spiritualität ein Ausweichen vor der Wirklichkeit, ein Einnisten in einer erneuten Illusion – die nun aber noch viel schwieriger zu durchschauen ist, da man ihr einen heiligen Deckmantel umlegte.
Die echte Spiritualität setzt sich bereitwillig dem Vakuum der Ungewissheit aus, und darin wird man zu einem wahren Sucher.
Man ist bereit, selbst alle bisherige Erkenntnis in Frage zu stellen, sämtliche angewöhnte Denkvorgänge kollabieren zu lassen. Und es bereitwillig einstürzen lassen. Man will nicht Scheinsicherheit, sondern Wahrheit, und für die müssen alle Hoffnungen und Erwartungen und Ansprüche hinfällig werden.
Es braucht eine Bereitschaft für die Totalität, sonst wird man weiterhin einfach nur kleine Einsichten haben.
Dann ist man bereit für Offenbarung.

Offenbarung

Ludwig Wittgenstein sprach davon, dass die Sprache aus dieser Welt ist und es ihr dadurch verunmöglicht ist, Transzendenz zu beschreiben. Sie sei ein ganz anderes Werkzeug.
Seinen Einwand muss ernst genommen werden. Vom Standpunkt der Offenbarung hat aber alles in dieser Welt göttlichen Ursprung und somit auch göttlichen Sinn.
So existiert Sprache nicht nur dazu, um Informationen mitzuteilen, sondern vorrangig als Erwiderung für die Offenbarung (response-ability). Die Sprache hat göttlichen Ursprung und ist ursprünglich dazu gedacht, Gott zu verherrlichen (Srimad Bhagavatam 6.16.32). Aus diesem Grund spricht das Vedanta Sutra davon, dass eigentlich jedes einzelne Wort nicht praktisch gedacht ist, also nicht um Dinge in der Welt zu erwirken.
Jedes Wort ist Verehrung und bezeichnet Gott. Deshalb ist es heilig. Am Anfang war das Wort.
„Der Unvollkommene wäre nicht unvollkommen, wenn er nicht Hilfe von aussen bedürfte. Der Vollkommene wäre nicht vollkommen, wenn er nicht in der Lage wäre, sich selber mitzuteilen. Somit ist die Unterweisung, die zur Vollkommenheit oder der Absoluten Wahrheit führt, notwendigerweise eine Wirkung des Absoluten selber. Wir sind in unserer Wesensart gemäss ausgerüstet, die Gnade Gottes zu empfangen.“
Srila Sridhara Maharaja „Guru and his grace“ (Einleitung)

Heilige Texte gelten in allen spirituellen Traditionen als Offenbarung. Die Einwirkung Gottes darf aber nicht in die alte Gewohnheitsstruktur des Geistes integriert werden. Damit reduzierte sie sich auf leeres Konzeptwissen. Sie wird lebendig und aktiviert in der Reflektion im Innern, im Gebet und der Kontemplation und in der Gegenwart der Heiligen, die diese Hinweise in ihrer Lebensart verkörpern.
Die Verliebten verstehen den kleinsten Hinweis ihres Geliebten. So dringt heilige Offenbarung Gottes hindurch durch die Wirrnis der von unseren vergangenen Eindrücken besetzten Worten.
„Während dein Inneres vor Liebe zu brennen scheint, lässt er dich etwas von dem unaussprechlichen Geheimnis seiner göttlichen Existenz ahnen. („Wolke des Nichtwissens“ Kapitel 26)
Wenn sich das Unbegrenzte im Begrenzten offenbart, behält es die Eigenschaft der Unbegrenztheit bei.
prati sloka prati akshare nana artha kaya (Caitanya Caritamrta 24.318) «Jeder Vers und jede einzelne Silbe aus der Offenbarungsschrift hat unzählbar viele Bedeutungen ».

Fundamentalismus wäre da offensichtlich zu eingleisig. Die Offenbarung im Wort (die heilige Schrift) verlangt die Weitung des eigenen Verständnisses, um sensibel zu werden für das, was Krishna da einem wirklich offenbaren möchte.


Die Geschichte des barmherzigen Samariters aus Lukas 10 beleuchtet auf schöne Weise, dass die heilige Offenbarung aufgeschlüsselt werden muss und man nicht einfach denken kann, sie im Besitz zu haben.
Der Priester und der Levit, die an dem von Räubern schwer Verwundeten vorbeigehen, sind fromme, gottesfürchtige Leute. Sie „kennen“ Gott und sein Gesetz. Sie haben Gott, wie der Wissende das Gewusste besitzt. Sie wissen, was Gott von ihnen will im Sein und im Handeln. Sie wissen auch, wo Gott zu finden ist – in der Heiligen Schrift und im Kult des Tempels. Gott ist für sie vermittelt durch die vorgegebenen Institutionen. Sie haben ihren Gott – und er lässt sich nicht auf der Strasse zwischen Jerusalem und Jericho finden. Was ist falsch an dieser Gotteserkenntnis? Nicht die Rituale im Tempel und auch nicht die Heilige Schrift. Sondern die Erkenntnis Gottes, die keine Nicht-Erkenntnis zulässt. Sie sind festgefahren in einem bestimmten Verständnis. Das heilige muss sich immer weiter ausdehnen und in ihm gibt es nie Stagnation. Das ist die wesensgemässe Reaktion auf das Unbegrenzte.
Dann kann durch die Worte hindurch Wirklichkeit durch scheinen.

26. Januar 2009

Sanga - spirituelle Gemeinschaft

Die Mystik des Fussballstadiums ist zwar ein Zusammensein, aber nicht Sanga (heilige Gemeinschaft). Die kollektive Entzückung, Anhänglichkeit, Schwelgen im Gemeinschaftsgefühl, … das hat mir persönlich immer nur die Sehnsucht nach Alleine-Sein verstärkt.

Man fühlt sich Einsam… das ist die zwangsläufige Folge einer Abtrennung der Beziehung zu Krishna… Der daraus resultierende Überlebungskampf nennt man im Alltagsbewusstsein „sein eigenes Leben“.
Der Einsame hat sich isoliert von einer Intensivität, von einer brennenden Nähe. Wenn man diese brennende Nähe mit Gott nicht aushalten will, dann ist die Anhänglichkeit in einer Gruppe nicht sanga, sondern Ausflucht und Vermeidung.
Soziales Zusammensein ist eine Anstrengung, da es nicht auf dem inneren Vermögen zum Allein-sein fusst. Sanga ist nicht Geselligkeit und Aufgehobenheit in lähmender Gewohnheit, und auch nicht die Sicherheit im Rudel.
Wahres Zusammensein beruht auf der Fähigkeit zum inneren Ledigsein von allem. Ledigkeit ist die Bedingung für Empfänglichkeit.

Alleinsein wird meistens äusserlich verstanden… dieser Körper ist allein und kein anderer Körper ist in Sicht.
Das innere Verständnis von Alleinsein birgt die grosse Herausforderung: das Erkennen, dass es tatsächlich darum geht, dass man jede vermeintliche Orientierung nach aussen aufgibt. Man benötigt das Festhalten an Strohalmen nicht, um zu überleben. Und man lässt sich ganz nach innen fallen, Sri Krishna ergeben, lässt sich ein auf einen Raum, der einen zuerst unbekannt und fremd ist.

Da existiert Gemeinschaft – Verbundenheit mit allem. Da ist natürliches Zusammensein ohne Anstrengung, in umschwänglicher Freude. Niemand stellt eine Konkurrenz dar.
Wenn dort jemand in einen Baum schneiden würde, würde ich hier bluten. In diesem Verständnis von Sanga, Verbundenheit, versteht man auch die Notwendigkeit des Vegetarismus.

Da erfährt man Gemeinschaft: Die Weisen sehen das Gleiche in einem wissenden und demütigen Brahmana, in einer Kuh, im Elefanten, in einem Hund und in einem Hundeesser. (Bhagavad Gita 5.18)

Weisheit führt zur Samatva, Gleichmut und Gelassenheit. Man wird disinteressiert an den Bewertungen der Unterschiedlichkeiten in der Wandelwelt.

In diesen Momenten schaut man hinter den Schleier der Phänomene und weiss ganz genau: ich will keine Karriere, ich will nicht Reichtum, ich will nicht Bequemlichkeit und Konvention…. Das Wachsein brennt – und man sieht weit weg im Gegensatz dazu die Wandelwelt.

Doch die meisten haben dann wieder Phasen, wo man lieber schlafwandelt, wo man so sein möchte, wie die anderen. Doch auch inmitten der Anpassung im Leben der Konvention erwacht irgendwann die Sehnsucht wieder: „ich will die Wahrheit und nichts anderes!“

Alle Menschen haben Momente des Aufwachens – und waren dann wieder erfolgreich im Zudecken. So treibt man wieder an der Oberfläche und kämpft eines kleinen Glückes willen ums Überleben. Dann hat man Berufs-glück, Erfolgs-glück, Reise-glück, Sex-glück, Erfolgs-glück, Religionszugehörigkeitsglück, Befriedigungs-glück – alles Strategien, um die Maske aufrecht zu erhalten.
Fühlt man den Schrei nach Freiheit? Unendliche Freiheit – und nicht die verbürgerlichte Version davon….
Da sind wir zusammen. Da beginnt spirituelle Gemeinschaft.

16. Januar 2009

karma-yoga

Die Kunst des Handelns

Gewinn ist nicht ein Ziel sondern ein Resultat, das entweder kommt oder auch nicht und auf jeden Fall nebensächlich ist. Das ist sehr schwer zu verstehen für einen Menschen geprägt von einer Gesellschaft, in der Gewinn und Erfolg im Aussen das Kriterium ist, ob sich dieses Leben gelohnt hat oder nicht.


Man isst nicht, um nachher Kot zu lassen und man lässt nicht Kot, um Dünger zu produzieren.
Das ist karma-yoga ein Handeln, wo das Resultat, das outcome einer Bemühung, nicht einmal gross in das Bewusstseinsfeld eingerückt wird.

Selbst wenn das Resultat meines Mühens nicht eintritt, war dann dennoch die Arbeit nicht vergeblich, da man sich für das Unvergängliche zur Verfügung stellte und es in allem Tun nicht um vergängliche Früchte geht, sondern einzig um das Gewahrwerden als Seele.
Das Tun wird zu einem Spiel in der Formwelt, in dem man nicht mehr wird, wenn man zum Beispiel viel Geld verdient und nicht weniger wird, wenn man alles über Nacht verlieren würde. Denn Besitz (umgesetztes Geld) und Zukunft verhelfen in keinster Weise seiner Identitätsfindung. Wenn man seine Ansprüche aufgibt, dass die Welt der Form einem glücklich und erfüllt machen müsse, dann erfährt man sofort eine Zufriedenheit, die alles im Leben durchzieht und nicht abhängig ist von Umständen und Zuständen in der Aussenwelt.
Zufriedenheit ist dann nicht eine kurzfristige Kongruenz der Umstände mit meinen Vorstellungen, sondern einen Zustand, der in allen Situationen Bestand hat.
Man ist frei von der Abhängigkeit an den Formen des Lebens, an den Lebensumständen. Man braucht nicht mehr die Bürde seines Kampfes mit den Umständen mit sich zu tragen.

Nicht-Handeln

Die Arbeit selbst kann zu Gebet werden, wenn sie in der Gegenwart Gottes verrichtet wird.
Die Arbeit ist die eigene Antwort zur Gegenwart Gottes. Und er tut, arrangiert, kontrolliert alles. In der Ausklammerung Gottes als den wesentlichen Handelnden ist es verständlich, dass der Mensch Identität und Erfolg aus seinem Handeln pressen will. Es ist unmöglich, frei von den Früchten des Handelns zu sein, wenn man sich als ihr Verursacher sieht.
„Die verwirrte Seele denkt, sie würde Dinge tun, die in Wirklichkeit von der Natur ausgeführt werden.“ (BG 3.27)
Wer hat bewirkt, dass der Sommer vergeht und der Herbst kommt? War ich dies? Niemand denkt wahrscheinlich, dass er die Jahreszeiten produziert. Die Bhagavad Gita erklärt nun, dass auch die Bewegung des Körpers die Aktivität der Natur ist (unter Gottes Lenkung) und nicht ich selber. Die Grundkräfte der Natur (gunas) bewegen alles in der Welt. „Ich wache auf, ich lege mich schlafen, bewege mich durchs Leben, baue ein Haus…“ Aufgrund der Identifikation mit dem Körper denkt die Seele, da involviert zu sein.
Die Bhagavad gita spricht von 5 Faktoren der Handlung (18.14):

- dem Körper
- den Sinnen (selbst wenn die Sinne funktionieren, kann man unkonzentriert sein und mitten in einem Vortrag nur an seine Probleme am Arbeitsplatz denken. Die Sinne mit der Aufmerksamkeit verbunden werden, damit sie registrieren)
- der Bemühung (es gibt Fatalisten, die denken, es sei alles vorausbestimmt, alles sei karma, aber sonst würde Krishna die Seele ja nicht auffordern, in jedem Moment zu handeln (3.5)
- dem Selbst (Die spirituelle Lehre ist komplex und nicht eingleisig. Immer wieder hört man die Anweisung, sich nicht als den Handelnden zu sehen, aber hier wird das Selbst als karta, als Handelnden beschrieben. Natürlich hat die Seele freier Wille, Wunschkraft, aber nicht die Unabhängigkeit, alles nach ihren Wünschen zu gestalten. Diese hat nur Gott inne. Verwirrung wäre also, sich als den alleinigen Handelnden zu betrachten. Man ist Mitwirkender. Der größte Irrtum ist, zu glauben, man selbst mache alles. In Wahrheit sind wir wie kleine Zellen in den Händen des Kosmischen Organismus.
-daiva (Gott selbst, der als Beobachter und Erlaubnisgeber in allem gegenwärtig ist. Er ist der Bewegende von allem (9.10) und lenkt alle Körper gemäss dem Radius ihrer Wünsche. ^

Alle meditativen Praktiken zielen ja gerade dahin, zu erkennen, dass man nicht der Bewegende des Körpers ist (buddhistische Gehmeditation) und auch nicht der Macher seiner Gedanken und Stimmungen.
Wenn man in der ganzen göttlichen Arrangierung drin nur ein kleiner Mitwirker ist, wie will man da noch Ansprüche auf die Resultate erheben?



Im Einlassen auf die Arbeit in der Haltung von Karma-yoga wird man nicht gespalten in die Zweiheit Aktion und Kontemplation, in Introversion und Extroversion, sondern sie ist Gehorsam, sie ist das Hören auf ihn und erzeugt Durchlässigkeit für ihn – und das ist der wesentliche Erfolg, der alles Klauben und kleinliche Ausstrecken nach Zusatzfrüchten verblassen lässt..
Seine Präsenz durchdringt meine Arbeit. In Gottes Angesicht zu arbeiten verlangt, dass man mit innerer Ruhe und ohne Hast arbeitet, aus der eigenen Mitte heraus, ganz gesammelt.
Wer hastig und nachlässig arbeitet und alles auf einmal erledigen will, dem entgeht Seine Gegenwart. Er erhält vielleicht ein Resultat im dreidimensionalen Raum, aber genau um das geht es ja nicht. Denn das Verlustgefühl der Verbundenheit mit Gott erlebt man selbst im grösstmöglichen Gewinn auf der physischen Ebene noch als Schatten mit, als Leere.
Uns seine alles-erfüllende Gegenwart relativiert selbst das Drama auf der menschlichen Ebene hin zur Unbedeutsamkeit, was aber nicht hin zur Gleichgültigkeit und Entwertung der physischen Sphäre führt.
“Bemühe dich nur um die Tat, niemals aber für die Frucht des Handelns (das Resultat). Halte dich nicht für die Ursache der Ergebnisse deines Tuns.
Das Resultat soll nicht den Beweggrund des Handelns sein, noch neige zur Untätigkeit.”
(Bg 2.47)

“Weihe alle deine Tätigkeiten Mir, dein Bewusstsein auf die Überseele gerichtet (die der wirkliche Ausführende der Tätigkeiten ist), frei von Verlangen nach Gewinn (ohne Erwartung) und Besitzstreben ("Mein-Gefühl") und bemühe dich, frei von Fieber (mentaler Spannung und Verkrampfung).” (Bg 3.30)


Gelöstheit
Das heisst nicht, dass man nicht tätig sein soll, Neues lernt, neue Länder erkundet, neue Menschen kennen lernt, Kenntnisse und Fachwissen erwirbt, körperliche und geistige Fähigkeiten entfaltet und erschafft, wozu man auf dieser Erde berufen ist.
Aber in all dem drin versucht der Karma-yogi nicht noch etwas zu sich hinzuzufügen. Er verklebt sich nicht mit dem, was er tut. Er lässt seine Tätigkeit nicht zu seiner Identität werden. Man projiziert keine Hoffnung auf Erfüllung ins Aussen. Weil die ursprüngliche Gottessehnsucht nicht durch umgesetzte Ambition im aussen ersetzt werden kann, enden diese enttäuschten Bemühungen nur in einem verkrampften Suchen nach mehr. Man denkt, die Leere resultiere aus dem Zuwenig. Aber man kann mit Quantität niemals das wieder gut machen, was man an Ausrichtung verfehlte.
Es ist nichts Falsches daran, aktiv und engagiert in der Welt zu sein – das ist sogar erforderlich (nahi kascit ksanam api – Bhagavad gita 3.5). Das Problem liegt nur, Hoffnung an die Aktivität zu klammern, die von der Tätigkeit und dem Resultat davon nie erfüllt werden können. Das führt zu einer Unruhe, in der man glaubt, immer noch etwas Neues tun zu müssen, um das Loch zu stopfen, um noch etwas hinzuzufügen.

Anerkennung
Ein Suchen nach Besonderheit, die man in die Arbeit hineinwebt, ist das, was die Arbeit schwer macht.
Die Seifenblase seiner persönlichen kleinen Lebensgeschichte wird bald vergehen, aber die meisten Menschen leben gefesselt in diesem Selbstgefühl einer vorgestellten Wirklichkeit. Das bedeutet, konstante Bedürftigkeit – das labile Selbstgefühl will gestärkt sein durch Dinge im Aussen und Gesichertheit erfahren. Sei es Besitz, Ansehen, Recht zu haben, oder als spirituell Erleuchteter angesehen zu werden….Das alles sind Bestärkungen der Identifikationsrolle, die man nicht ist. Ein sinnloses Unterfangen, die Fiktion des Ichs zu stärken.
„Ich bin eine ewige Seele, zugehörig und erwartet von Krishna“ – das Spiel des Mehrwerdens durch Arrangierungen im Aussen, oder Identifikation mit der Arbeit, darf beendet werden, ohne jedoch das ich das Tätigsein beende – das ist Karma-yoga. Es ist ein Tätigsein, in dem es nicht um praktisches Erledigen geht, sondern nur um den Raum im Innern, wo man als Seele bei Krishna effektiv aufgehoben ist.
Wie alles in der Welt – so deuten wir auch unser Tun. Man ist nicht einfach nur mit einer Arbeit beschäftigt, sondern man kommentiert auch, was man tut. Und dieser Kommentar beeinflusst ganz wegweisend unsere Beziehung zur Arbeit, unsere Stimmung.

Weil man durch seine Arbeit ständig seine Identität untermauern möchte und der Selbstbestätigung nachläuft, überfordert sie einen.
Wenn man sie einfach tut als seine Aufgabe, als Arbeit um des Dienstes, und nicht der Anerkennung willen, veflöge alle Verbissenheit und Verkrampftheit. In dieser inneren Leichtigkeit ist man sogar effektiver in seinem Tun, in welchem sonst ein Grossteil der Energie mit dem Liebäugeln auf die Resultate und deren Bewertung verbraucht wird.
Oft hat man Absichten in der Arbeit, die gar nicht durch die Arbeit erfüllt werden können: Man will Anerkennung durch die anderen, man möchte gelobt und beachtet werden und möchte sich etwas beweisen, dass man auch etwas kann. Diese Nebenabsichten verschlingen den Grossteil der Energie und das Resultat sind immer bittere Enttäuschungen.
Es ist vernachlässigte Selbstverwirklichung, die man nun im Vergänglichen zu substituieren sucht.

Für den, dessen Freude nur im Selbst ist, und durch das Selbst allein befriedigt wird, und nur zufrieden ist im Selbst, für ihn gibt es nichts mehr zu tun (er hat keine Aufgaben mehr)

Ein selbstverwirklichter Mensch verfolgt in seinem Handeln keine Absicht (er hat nichts zu gewinnen durch Handlung) und ebenso gibt es für ihn keinen Grund, die Tätigkeit nicht zu verrichten (er hat auch nichts zu verlieren). Er bedarf nicht der Zuflucht bei irgend einem anderen Wesen.


(Bhagavad gita 3.17-18)
Und so wird auch das Konzept von Arbeit zu einem Teil des Überlebenskampfes: Existenzkampf, Existenzangst… Es entspricht nicht der Aufgabe von Arbeit, in den Dienst eines egoistischen Überlebens- und Abwehrkampfes gestellt zu werden. Die meisten Menschen nehmen Arbeit, genauso wie den Müssiggang, als eine Droge, um sich zu betäuben, um vor sich selbst zu flüchten.
Für den erwachenden Spiritualisten ist es wichtig, Arbeit wieder konsequent in den Dienst seines tiefen Freiheitswunsches zu stellen. Nur so kann Arbeit, wie sie durch den Menschen geschieht, wieder erfüllend und sinnvoll werden.

Karma-yoga ist Arbeit aus dem Selbst heraus. Es geht nicht darum, Dinge zu bewerkstelligen - dafür ist Gott zuständig und er erledigt seine Aufgabe - sondern nur um in einem den Raum der Begegnung zu schaffen.


Die Kunst des Nicht-Tuns

Die meisten Menschen verstehen Nicht-Tun als „herumhängen“, in den Tag hineinleben, als arbeitsloses Freizeitvergnügen. Das hat nicht mit dem Nicht-Tun zu tun .Es ist eine geistige Angelegenheit des Aufgebens inneren Tuns. Auf der äusseren Ebene bedeutet „Nicht-Tun“ das zu tun, was zu tun ist.
Nicht-Tun bedeutet nicht nichts zu tun. In diesem Missverständnis unterlässt man das, was zu tun wäre, und gerät in inneren Druck. Nichts mehr zu Tun, nichts mehr zu verhindern, nichts zu bewirken – das ist das Zurücknehmen eigener Ambition. Und darin wird sehr viel Lebendigkeit, Kreativität und Handlung geboren, die aber nicht in eine Verbissenheit im Handeln investiert wird.

Bewertet wird alles Handeln in der vom Marktdenken beherrschten Welt mit dem Kriterium des Erfolges. Das zeigt ja nur auf, wie eingebunden das Ich an die Machtverhältnisse ist.


Ich-los zu werden, ledig, frei, heisst auch, den Agenten der Macht in uns wegzuschicken, der uns von der Aussichtslosigkeit des Unternehmens, der Übermacht des Etablierten, überzeugen will. Ledig werden heisst auch, das Verhältnis von Erfolg und Wahrheit zu korrigieren.
Karma-yoga bedeutet, die Empfindlichkeit für die Wahrheit wiederzuerwecken anstatt sich bewusstlos an den Gewinnern und der Siegessucht zu orientieren. Karma-yoga gibt die Gewissheit des Wesentlichen auch in einer jahrelangen Erfolglosigkeit in der Welt.
Man darf die Wahrheit nie dem Erfolgsdenken opfern. Erfolgsversprechen ist nicht die wesentliche Kategorie, ob etwas getan werden soll oder nicht.
Frei zu werden von den Zwängen des Erfolg-haben-müssens ist ein mystischer Kern, der im Trotz des stillen Weitergehens erscheint.

Thomas Merton, Trappistenmönch und ein führender Gegner des Vietnamkrieges hat 1966 in einem Brief auf den mystischen Grund der inneren Freiheit hingewiesen:

„Mache dich nicht selbst abhängig von der Hoffnung auf Erfolge. Du musst damit rechnen, dass all dein Bemühen womöglich fruchtlos bleibt oder sich ins Gegenteil auswirkt. Rechne mit dieser Möglichkeit. Wenn du dich daran gewöhnst, wirst du dich allmählich immer mehr auf den Wert, auf das Richtigsein, auf die Wahrheit deiner jeweiligen Arbeit konzentrieren, unabhängig ihrer Ergebnisse.“


Merton rät den Pazifisten, sich von dem Bedürfnis frei zu machen, eigene Bestätigung im Tun zu finden. Dann kann man offener sein für Gottes Kraft, die durch einen wirken will, ohne dass man es selber merkt.
Eckhart sagt dem: Ich wirke darum, dass ich wirke“. Dieses Handeln speist sich nicht aus nachweisbaren Erfolgen, sondern aus Gott selber.

„ob dein Kampf zu tausend Siegen führt, das Herz der Welt schlägt weiter unberührt.“ Hermann Hesse

Karma-Yoga

Karma Yoga lehrt das uneigennützige Handeln ohne Blick auf den Verdienst der jeweiligen Handlung. Man soll nicht auf das Ergebnis versessen sein, sondern ohne jeweilige Absicht einfach gut handeln.
Immer wieder kehrt man ein in der Frage, „Warum handle ich?“ „Was ist meine Motivation?“ Es ist immer die Absicht in der Handlung, welche Reaktionen gibt und nicht die Handlung selber. Die meisten Menschen verbinden mit Handlung den Wunsch, etwas zu erreichen, Geld zu verdienen, Ambitionen umzusetzen. Das sind genau Haltungen, welche den Karmayogi nicht antreiben. Er erkennt alles in Gottes Führung und das Handeln ist für ihn nur das Sich-selber-zur-Verfügung-stellen.
nirmatta matram bhava savya sacchin (BG 11.33) „Werde einfach ein Werkzeug meiner Selbst“, lädt Krishna Arjuna ein. Darin liegt ein Friede und eine Erfüllung, die viel tiefer geht als das sich Erfreuen an dem, was man getan oder erworben hat.
Sri Krishna erklärt, dass in dem Gleichmut in Erfolg und Misserfolg, im Angenehmen und Unerwünschten, in der Abkopplung der Bewertung in der vergänglichen Welt, das Tor zur Unsterblichkeit existiert (BG 2.15). Man müht sich nicht für die Erfüllung eigener Vorstellungen, wie die Welt zu sein hätte, sondern arbeitet einzig und allein aus einem Sich-Schenken zur Welt und um im Inneren den Raum beizubehalten, in welchem man sich als unvergängliche Seele erkennt.
Wenn es nichts zu gewinnen und auch nichts zu verlieren gibt, weswegen soll man sich dann noch bemühen, weshalb also noch irgendetwas tun?
Gerade in der Freiheit persönlicher Ambitionen wird eine Freude geboren, tätig zu sein für die Harmonie des ganzen (sarva bhuta hite ratah – BG 5.25), ein Handeln mit ganzem Herzen und vollem Engagement.
Nicht am Erfolg oder am Ergebnis zu hängen heißt nicht, dass man halbherzig handelt. sollte. Sondern man sollte das, was man tut, so gut machen, wie man kann. Wenn man handelt, denkt man, dass alles von diesem Bemühen abhängig ist, aber innerlich weiss man zugleich in jedem Moment, dass alles in höheren Händen aufgehoben ist. Man plant klug, denkt geschickt nach, und schreitet mit vollem Engagement und Herzen an die Durchführung heran. Krishna sagt: „Yoga Karmasu Kaushalam“ – „Yoga ist Geschick im Handeln“ (Bg 2.50).
Wer nicht ständig an das Ergebnis denkt, geht in der Arbeit ganz auf, kann das erleben, was als „Flow“ bezeichnet wird, ein Mitfliessen, ein Mithandeln. Das ist Teilhabe Gottes.
Das Wort „Opfer“ leitet sich ab vom lateinischen „operari“ also von Handeln und Werk. Jedes Tun soll Opfer sein, eine Darbringung an Sri Krishna. Abtrennung von der Wirklichkeit ist Sinnlosigkeit.