22. Dezember 2007

Weihnachtsbrief

Offener Brief an denkende Menschen

Unser Umgang mit Tieren ist geprägt von einer tiefen Irrationalität.
Auf der einen Seite werden Tiere wie zum Beispiel ein Hund geliebt und verhätschelt und der Missbrauch an ihnen ist gesellschaftlich geächtet und empört schreibt man darüber in Zeitungen. Aber zur gleichen Zeit werden andere Geschöpfe wie zum Beispiel das Schwein, das eigentlich keinerlei bedeutende biologische oder psychologische Unterschiede zum Hund aufweist, gequält und getötet, geschlachtet und gegessen. Es scheint sogar ganz normal, seinen Weihnachtstisch mit so einem gemarterten und geschlachteten Tier zu „zieren“.
Tiere sind entweder geliebte Haus- und Kuscheltiere oder tauchen unter in einer anonymen Masse, die wir dann töten lassen und auf dem Teller verspeisen.

Du würdest doch deinen Hund oder deine Katze oder deinen Kanarienvogel nicht umbringen und aufessen… Warum dann Schweine und Kühe, die genauso sensible Wesen sind und die ebenso fähig sind, Gefühle auszutauschen?Du fändest es doch auch nicht richtig, wenn überlegene Ausserirdische auf die Welt kämen und uns so behandelten, wie wir Tiere behandeln. Warum behandeln wir dann Tiere so?Du lehnst doch das Recht des Stärkeren als ethische Richtschnur ab. Warum soll es dann gegenüber Tieren gelten?

Es ist eine erstaunliche Wahrnehmungsverzerrung, der die fleischessende Normalbevölkerung nachhängt: Wie schrecklich und unverständlich finden es doch alle, wenn sie in der Zeitung von Menschen lesen, die aus trivialsten Gründen einen Mord begehen. Aber gibt es einen trivialeren Grund, jemanden umzubringen oder umbringen zu lassen, als den Wunsch nach einem bestimmten Geschmackserlebnis?

Eine Frau betrat eine Tierhandlung, um Vogelfutter zu kaufen, und da es Winter war, trug sie ihren Kaninchenfellmantel. Als sie an einem Kaninchenkäfig stehen blieb, um ein paar Zwergkaninchen zu streicheln, hörte sie hinter sich eine Frauenstimme, die sehr laut sagte: „Finden sie es nicht heuchlerisch, dieses Tier zu streicheln, wenn sie dabei seine ganze Familie am Leib tragen?“

In diesem Zwiespalt leben die fleischessenden Tierfreunde… einerseits liebt man die Tiere, erfreut sich an ihnen, und andererseits ist man durch den Fleischkonsum Auftraggeber für ihre Tötung.

Inmitten unserer hoch entwickelten westlichen Kultur, inmitten all den strahlenden Monumenten unserer Geschichte, Kunst, Religion und Wissenschaft, gibt es die dunklen Bereiche. Das sind die Tierfabriken und Schlachthöfe – gesichtslose, geschlossene Bereiche, in denen die Gesellschaft ihr schmutziges Geschäft der Misshandlung und Ermordung unschuldiger, fühlender Wesen abwickelt. Wir sind brave Bürger und haben eigentlich eine ziemlich gute Vorstellung davon, was dort geschieht, aber wir wollen es lieber nicht so genau wissen…..
Genau das macht unsere Komplizenschaft noch gemeiner.
Den Vegetarismus auch aktiv zu lehren bedeutet Einsatz für Gerechtigkeit: es ist die Identifikation mit den Machtlosen und Verwundbaren, den geknechteten und unterdrückten Opfern. Sofern wir nicht an den faschistischen Grundsatz glauben, dass Macht vor Recht geht, haben wir kein Recht, unseren Mitgeschöpfen, den Tieren, Schaden zuzufügen und ihre Körper zu essen.
Wie lange will man das Inferno ansehen und schweigen?
Was haben die Tiere getan, dass sie dies verdient hätten?

Ein totes Rind oder Schaf auf der Weide gilt als Kadaver. Dasselbe Aas, zerlegt und auf dem Teller liegend, wird nun plötzlich „Nahrung“ genannt.

Fleischessen ist eine grässliche Form des Vergnügens. Was ist das für ein Vergnügen, wenn man nachdenkt, wie Fleisch zu Fleisch wurde?
Beim Betrachten von Würsten in einem Schaufenster sprach ich zu ihnen:
„Ihr seid einmal lebendig gewesen, ihr musstet leiden, aber jetzt habt ihr ausgelitten.
Gibt es irgendwo im Kosmos eine Gedenktafel, auf der von euch steht?
Man erkennt eure ursprüngliche Form nicht mehr, verwischt ist das schwerzerfüllte Gesicht, vergossen sind die Tränen. Wahrscheinlich seid ihr noch gefüllt von der Angst und dem Schrecken eurer Vergangenheit….
Dass ihr vor kurzem ein fühlendes Wesen gewesen wart, will niemand mehr wissen….
Unsere Lust, Fleisch zu essen, hat euch so verformt…..“

Ein fühlender und denkender Mensch sollte doch zum Schluss kommen, dass man nicht friedfertig sein kann, wenn man gleichzeitig andere Lebewesen tötet, dass man nicht für Gerechtigkeit sein kann, wenn gleichzeitig Wesen, die schwächer sind als man selbst, zur Schlachtbank führen und sie quälen und morden lässt – durch das Essen von Fleisch.

Wer Fleisch isst oder auf die Jagd geht, erklärt sich mit der Grausamkeit der Natur einverstanden und mit jedem Bissen Fleisch oder Fisch, den er isst, erklärt er: Wer die Macht hat, hat das Recht.
Vegetarismus ist der Ausdruck des Protestes gegenüber dieser Haltung. Das Engagement unserer Empörung darüber ist gering und dennoch wirkungsvoll: Aufzuhören, Fleisch zu essen.

Das Gegenteil von „losgelöst“ ist nicht nur „angehaftet“, es ist auch verkrampfte Askese.
Das Gegenteil von „mutig“ ist nicht nur feige, es ist auch Übermut.
Das Gegenteil von „gut ist nicht nur „böse“, es ist auch die Gleichgültigkeit.
Und gerade die Gleichgültigkeit zeigt sich auf so tragische Weise in unserem Umgang mit Tieren. Fleischessen ist nicht eine harmlose Essgewohnheit, die einem egal sein darf.
Wer in einer Militärdiktatur nicht wissen wollte, was mit den verschwundenen Nachbarn geschah, war ein feiger Mitläufer. Wer heute nicht wissen will, was in Schlachthöfen mit Tieren passiert, ist ein egoistischer Mittäter. Am moralischen Stellenwert des Nicht-wissen-Wollens hat sich nichts geändert.

Es gibt Menschen, die wollen dies nicht sehen, da das Hinsehen ihre Beteiligung beim Morden aufzeigen würde und ihnen den Appetit verderben würde. Was ist das für ein Appetit, der von der Ignoranz lebt?


Syam Priya kunj – Ort der Stille und der Versenkung
www.radhe.ch / www.sanatan-dharma.ch

2. Dezember 2007

Dem Ruf Gottes folgen

Der Gott der eigenen kleinen Hoffnungen, der in der eigenen Lebensbilanz ein erfreulicher Pluspunkt sein soll, ist nicht der Gott der Wahrheit. Der Allmächtige und Allbarmherzige lässt sich nicht verbuchen – weder für eine bestimmte Konfession noch für den Eigenbedarf.
Er tritt ergreifend und erschütternd in unser Leben ein, reisst uns aus allem Lebensallerlei heraus und weist uns kraftvoll den Weg.

In der Bibel gibt es da schöne Beispiele:

Mose hütet ein paar Schafe am Berge Horeb, wo plötzlich die Weisung Gottes an ihn gelangt: „Führe mein Volk aus Ägypten heraus!“ Mose weicht zunächst zurück, dann aber schlägt er all seine privaten Lebenspläne in den Wind und tut, was ihm Gott aufträgt.

Den Probheten Jona packt schlicht die Panik , als Gott ihn ruft. So schnell er kann, macht er sich zu Schiff aus dem Staub. Das Schiff kommt in ein riesiges Unwetter und als Jona sich zur Errettung der Besatzung über Bord werfen lässt, frisst ihn ein grosser Fisch, der ihn aber auf Geheiss Jahwes nach frei Tagen wieder an Land speit. Da ist ihm natürlich klar, dass er dem Rufe Gottes nicht mehr ausweichen kann.
Petrus und Andreas werden von Jesus von ihren Fischerbooten weg berufen und folgten ihm auf der Stelle nach.

Dieser Ruf ist jetzt. Ob man aber dazu einwilligt und sich hingibt, oder ob man weiterhin Widerstand leistet, ist die individuelle Entscheidung der Seele. Das ist schicksalsprägend.

Die Intervention Gottes ist niemals harmlos und „wunschgemäss“. Der allmächtige Gott ist nicht unser Angestellter. Sein Geist weht wo, wie und wann er will. Er könnte dich jetzt ergreifen und dann kommt die freiwillige Einwilligung unsererseits. Sind wir jetzt dazu bereit?
Geistesgegenwart bedeutet, für diesen Ruf jederzeit bereit zu sein und für die Konsequenz einzuwilligen.

Lebendiges Leben ist, das Unerwartete zuzulassen, dich dem Moment zur Verfügung zu stellen, bereit zu sein für die Intervention Krishnas. Die grundlegend religiöse Haltung ist die des Horchens, sensibel zu sein für den Ruf.
Wie weit ist man bereit, Folge zu leisten, sich in Anspruch nehmen zu lassen von Krishna, auch wenn das mit persönlichem Verzicht verbunden ist?
Simone Weil: „Wer mit Gott nicht eines seiner Wunschbilder empfangen will, der muss warten können – in gänzlicher Aufmerksamkeit.“